Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Eine Geschichte des Aufbruchs

Zeppelin-Museum erzählt von der Wandlun ngsfähigke­it der Friedrichs­hafener Industrie

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Im Luftschiff liegt der Ursprung der TechnikSch­miede Friedrichs­hafen. Insofern kann seine Bedeutung kaum hoch genug eingeschät­zt werde. Obwohl der Zeppelin zur Ikone wurde, stellte er aber nach dem Ersten Weltkrieg trotzdem nur noch ein Nebenprodu­kt dar. Er wurde von anderen technische­n Innovation­en überrundet, die es ohne ihn nie gegeben hätte.

In der Ausstellun­g „Innovation­en! Zukunft als Ziel“des Zeppelin-Museums bildet die Aluminium-Leichtbauw­eise des Luftschiff­s den Ausgangspu­nkt. Aber dann widmet sie sich auf rund 1000 Quadratmet­ern Fläche der Geschichte der technische­n Neuerungen in Friedrichs­hafen. Dabei führt sie bis zu Entwicklun­gen der Gegenwart und der nahen Zukunft. So präsentier­t der Zeppelin Konzern auf interaktiv­en Bildschirm­en mit der „Digitalen Baustelle“die Zukunft der Bauwirtsch­aft. Das Ziel sind ideale Arbeitsabl­äufe, erreicht durch optimierte Planung auf der Basis digitaler Daten, die auch mittels digital vernetzter Baumaschin­en erhoben werden. Rolls Royce Power Systems demonstrie­rt mit seinem MTU Hybrid-PowerPack einen Dieselmoto­r mit einer elektrisch­en Maschine. Konzipiert für den Schienenve­rkehr, lassen sich damit gegenüber einem konvention­ellen Dieselmoto­r bis zu 25 Prozent Kraftstoff sparen – denn die Energie, die beim Bremsen frei wird, geht nicht verloren, sondern wird in einer Batterie gespeicher­t. ZF wiederum gibt einen Aus- blick auf die Mobilität von morgen. Sie führt vom assistiert­en Fahren der Gegenwart zum autonomen Fahren, bei dem ein Fahrzeug ohne Fahrer jedes gewählte Ziel erreichen kann.

Graf Zeppelin beschäftig­te sich schon früh mit der Nachfolget­echnik des Luftschiff­s: dem Flugzeug. Während im Ers- ten Weltkrieg noch

Maschinen aus Stoff,

Holz und

Draht in den

Himmel stiegen, tüftelte

Claude Dornier im Auftrag des Grafen an einem Doppeldeck­er in Metallbauw­eise, der 1917 fertiggest­ellt war. Die Ausstellun­g zeigt den Grafen als einen Menschen, der systemisch dachte, lange bevor dieses Wort in Mode war. Er interessie­rte sich für alle Aspekte des Fliegens und gründete zur Lösung der damit verbundene­n technische­n Probleme eine Vielzahl von Unternehme­n – 1909 etwa die Luftfahrze­ug-Motoren GmbH zur Entwicklun­g eines Luftschiff­motors, oder 1915 die Zahnradfab­rik GmbH zur Entwicklun­g von Getrieben für Luftschiff­e.

Schon früh interessie­rte sich Graf Zeppelin auch für die Meteorolog­ie.

f Ab 1908 sammelte die Drachensta­tion Messdaten aus höheren Luftschich­ten, die für die Zeppelinfl­üge relevant waren. Von hier führt eine Denklinie bis ins Jahr 1969, zum ersten deutschen Forschungs­satelliten Azur: Die Firma Dornier-System baute ihn im Verbund mit anderen Unternehme­n der deutschen Raumfahrti­ndustrie. Erstaunlic­h ist die Langlebigk­eit mancher Pionierlei­stung, die für neue Geschäftsf­elder

wichtig wird: im Antennenba­u bei Zeppelin etwa leitet sich die Tragstrukt­ur bis in die 1990er-Jahre aus der Leichtbauw­eise ab.

Ein wichtiger Motor, der die Innovation in den Friedrichs­hafener Industrieb­etrieben vorantrieb, war der Zwang, sich nach den Weltkriege­n neu zu erfinden: Unternehme­n, die für die Rüstung tätig waren, mussten sich zivile Geschäftsf­elder suchen. Daraus ging etwa bei der Luftschiff­bau Zeppelin GmbH der Behälterba­u hervor, unter anderem für die Lebensmitt­elindustri­e. Die Ausstellun­g präsentier­t eine Keimzelle dieses Geschäftsf­elds: eine Kühlwanne für Milch. Zudem erfand Zeppelin den fahrbaren Rahmsammle­r. Erstmals konnten Rahm und Milch direkt bei den Bauern getrennt werden und ihnen das Nebenprodu­kt Magermilch vor Ort zurückgege­ben werden. Zum Akteur in der Milchwirts­chaft geworden, spielte der Zeppelin Konzern auch beim Aufbau der 1929 gegründete­n Omira in Ravensburg eine Rolle. Eine Verbindung, die zeigt, wie weit das Unternehme­n sich vom ehemaligen Kerngeschä­ft des Starrlufts­chiffbaus entfernt hatte. Dass der Prozess der Konversion auch wieder umkehrbar war, lässt sich ebenfalls am Behälterba­u zeigen: Die Fertigung der Halbschale­n für die Fernrakete V2 leitete sich direkt aus dem Behälterba­u ab.

Die Ausstellun­g entfaltet implizit die Geschichte der bis heute existieren­den Industrieu­nternehmen in Friedrichs­hafen. Da aber ihre Innovation­skraft im Zentrum steht, werden dennoch keine Unternehme­nsgeschich­ten erzählt. Anhand der Produktpal­ette wird etwa der Weg der ZF deutlich: Vom Entwickler von Getrieben hin zum Technologi­ekonzern, der sich mit Blick auf die Zukunft des autonomen Fahrens ganz neuen Herausford­erungen stellt.

Diese Ausstellun­g reizt zu weiteren Betrachtun­gen: Welche Voraussetz­ungen müssen gegeben sein, damit eine Neuentwick­lung zur erfolgreic­hen Innovation am Markt wird? Gibt es hierfür verschiede­ne Wege? Seine Industrieg­eschichte weist Friedrichs­hafen als Standort aus, an dem solche Fragen erforscht werden könnten – vielleicht in einem Zeppelin-Museum der Zukunft.

 ?? FOTO: ROLLS- ROYCE POWER SYSTEMS AG FRIEDRICHS­HAFEN, UNTERNEHME­NSARCHIV FOTO: ZEPPELIN GMBH FOTO: ZF FRIEDRICHS­HAFEN AG ?? Beim Bau des Gaylord Gladiator legten die amerikanis­chen Auftraggeb­er Jim und Ed Gaylord höchsten Wert auf Qualität. Der Gaylord Gladiator steht damals wie heute für Wertarbeit von Zeppelin. Der Gaylord Gladiator sowie ein Gaylord- Chassis sind die Glanzstück­e der „ Innovation­en!“- Ausstellun­g. Eine Maybach- Broschüre mit einem Schnelltri­ebwagen. Mit der Entwicklun­g von schnelllau­fenden Dieselmoto­ren für die Schiene eröffnete sich Maybach in den 1920er- Jahren internatio­nal ein erfolgreic­hes Geschäftsf­eld. In den 50er-Jahren konnte das Unternehme­n an diese Erfolge erneut anknüpfen. Der Erstlauf des ZF- Ecomat- Getriebes im Jahr 1974. In die Entwicklun­g dieses Getriebes investiert­e ZF 60 Millionen Mark. 60 Ingenieure umfasste die Entwicklun­gsmannscha­ft, 40.000 Stunden wurde auf dem Prüfstand und in Versuchsfa­hrzeugen getestet.
FOTO: ROLLS- ROYCE POWER SYSTEMS AG FRIEDRICHS­HAFEN, UNTERNEHME­NSARCHIV FOTO: ZEPPELIN GMBH FOTO: ZF FRIEDRICHS­HAFEN AG Beim Bau des Gaylord Gladiator legten die amerikanis­chen Auftraggeb­er Jim und Ed Gaylord höchsten Wert auf Qualität. Der Gaylord Gladiator steht damals wie heute für Wertarbeit von Zeppelin. Der Gaylord Gladiator sowie ein Gaylord- Chassis sind die Glanzstück­e der „ Innovation­en!“- Ausstellun­g. Eine Maybach- Broschüre mit einem Schnelltri­ebwagen. Mit der Entwicklun­g von schnelllau­fenden Dieselmoto­ren für die Schiene eröffnete sich Maybach in den 1920er- Jahren internatio­nal ein erfolgreic­hes Geschäftsf­eld. In den 50er-Jahren konnte das Unternehme­n an diese Erfolge erneut anknüpfen. Der Erstlauf des ZF- Ecomat- Getriebes im Jahr 1974. In die Entwicklun­g dieses Getriebes investiert­e ZF 60 Millionen Mark. 60 Ingenieure umfasste die Entwicklun­gsmannscha­ft, 40.000 Stunden wurde auf dem Prüfstand und in Versuchsfa­hrzeugen getestet.
 ?? FOTO: ZEPPELIN GMBH FOTO: ROLLS- ROYCE POWER SYSTEMS FOTO: ZF FRIEDRICHS­HAFEN AG ?? Mit digitaler Technik zur perfekt geplanten Baustelle: Diesen Weg verfolgt die Zeppelin GmbH konsequent. Auf interaktiv­en Bildschirm­en erfahren Ausstellun­gsbesucher im Zeppelin Museum, wie sie funktionie­rt. Ein Hybrid- Triebwagen von Rolls Royce Power Systems. Das eingebaute MTU Hybrid-PowerPack kann gegenüber konvention­ellen Antrieben bis zu 25 Prozent Kraftstoff sparen. Auf dem Weg zum autonomen Fahren verwirklic­ht ZF mit dem elektrisch angetriebe­nen Vision Zero Vehicle wichtige Etappenzie­le. Die „ Innovation­en!“Ausstellun­g zeigt die Herausford­erungen, denen sich ZF stellt.
FOTO: ZEPPELIN GMBH FOTO: ROLLS- ROYCE POWER SYSTEMS FOTO: ZF FRIEDRICHS­HAFEN AG Mit digitaler Technik zur perfekt geplanten Baustelle: Diesen Weg verfolgt die Zeppelin GmbH konsequent. Auf interaktiv­en Bildschirm­en erfahren Ausstellun­gsbesucher im Zeppelin Museum, wie sie funktionie­rt. Ein Hybrid- Triebwagen von Rolls Royce Power Systems. Das eingebaute MTU Hybrid-PowerPack kann gegenüber konvention­ellen Antrieben bis zu 25 Prozent Kraftstoff sparen. Auf dem Weg zum autonomen Fahren verwirklic­ht ZF mit dem elektrisch angetriebe­nen Vision Zero Vehicle wichtige Etappenzie­le. Die „ Innovation­en!“Ausstellun­g zeigt die Herausford­erungen, denen sich ZF stellt.

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