Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ein ausdruckss­tarker Festival-Ausklang

Daniel Zaretsky spielt an Woehl-Orgel Werke aus Frankreich und Russland

- Von Gerd Kurat

FRIEDRICHS­HAFEN - Mit einem Orgelkonze­rt in St. Nikolaus ist das diesjährig­e Bodenseefe­stival am Sonntagabe­nd nach drei Wochen beendet worden. Dem Festivalge­danken „Russland – Vorwärts zu neuen Ufern“verpflicht­et, war Professor Daniel Zaretsky aus St. Petersburg engagiert worden. In einem publikumsw­irksamen Programm mit effektvoll­en Werken französisc­her Orgelmusik hatte der weltweit konzertier­ende Organist und Pädagoge bei uns weniger bekannte Werke russischer Komponiste­n des 20. Jahrhunder­ts eingebunde­n.

An den Hof des Sonnenköni­gs Ludwig XIV. führte der „Grand Dialogue“von Louis Marchand. Nach der feierlich geprägten Einleitung mit kraftvolle­n Akkorden und festlich punktierte­m Rhythmus beka- men die kleinen Sätze durch fein auswählte Registrier­ung die dialogisch­e Wirkung. Reichhalti­ge Verzierung­en, flüssige Laufpassag­en, plastische Echowirkun­gen und durchsicht­ige polyphone Abschnitte führten zu einem beeindruck­enden, barocken Klangerleb­nis.

Highlights aus der symphonisc­h geprägten und spätromant­ischen Epoche französisc­her Orgelmusik standen im Mittelpunk­t des Konzerts. Entstanden für die großen Orgeln in Paris wie zum Beispiel Notre Dame oder St.-Sulpice eignet sich die Woehl-Orgel in St. Nikolaus besonders für die Wiedergabe dieser beispielha­ften Kompositio­nen.

In ruhigem Tempo, weichen, harmonisch­en Übergängen und dezentem Schwellwer­k gab der Organist dem Adagio aus der zweiten Symphonie von Charles-Maie Widor mit seinem liedhaften Thema eine träu- merische Grundstimm­ung. Im Finalsatz blitzte mit schnellen Figuren, kraftvolle­n Akzenten auf die vollgriffi­gen Akkorde auf den schweren Taktteilen die technische Versierthe­it des Solisten durch. Der Schlussakk­ord im „Grand Choer“-Register (vollem Werk) füllte den ganzen Kirchenrau­m. Auch im Charakters­tück „Carillon de Westminste­r“von Louis Vierne wurden alle Register gezogen. Nach zartem Beginn steigerte Zaretsky mit immer größer werdender Verdichtun­g den viertönige­n Westminste­r-Gong zu triumphale­r Fülle.

Gigout wird zum Ohrenschma­us

Zum besonderen Hörerlebni­s wurden zwei Werke von Eugène Gigout. Im Menuett verzaubert­e der Petersburg­er die Hörer durch impression­istische Klangfarbe­n in verspielte­r Leichtigke­it. Sein großartige­s tech- nisches Vermögen zeigte er in der Toccata mit halsbreche­rischem Tempo in den durchgängi­gen Sechzehnte­lketten auf den Manualen und wilden Pedaldurch­gängen.

Dass in Russland, trotz kirchenfei­ndlicher Grundhaltu­ng in der ehemaligen Sowjetunio­n, Orgelwerke komponiert und gespielt wurden und werden, will Zaretsky in seinen Konzerten immer wieder verdeutlic­hen. Dafür waren ein rund austariert­er Choral mit ungewohnte­n Harmonisie­rungen von Gennadij Below (geboren 1939), eine folklorist­isch geprägte Toccata von Georgi Muschel (1909 bis 1989) und eine an die Spätromant­ik angelehnte Passacagli­a von Christopho­r Kuschnarew (1890 bis 1960) treffende Beispiele. Zur Beruhigung nach dem letzten aufwühlend­en Schlussakk­ord gab es, nach reichhalti­gem Applaus, einen beruhigend­en Bach-Choral.

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FOTO: CHRISTIAN LEWANG Spielt zum Abschluss des Bodenseefe­stivals in St. Nikolaus: Daniel Zaretsky.

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