Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Attaché mit Torinstinkt
WM-Rekordtorschütze in Russland erstmals in neuer Rolle - Danach folgt ein klarer Schnitt
EPPAN (SID/dpa) - Miroslav Klose steht auf dem Trainingsplatz und tauscht sich intensiv mit Joachim Löw aus. Kurz danach stellt er ein paar Hütchen auf, versammelt die Spieler um sich und erklärt gestenreich die nächste Spielform. Der 39-Jährige ist immer noch mittendrin im deutschen Team – doch in völlig neuer Rolle.
Anstatt als Torjäger wie noch vor vier Jahren gehört der WM-Rekordtorschütze in Russland dem Trainerstab Löws an. Vor allem den drei Stürmern Mario Gomez, Timo Werner und Nils Petersen soll der Trainer-Lehrling seine Erfahrung weitergeben.
„Im Fußball spielt die Spezialisierung in den einzelnen Mannschaftsteilen eine große Rolle. Ich denke, dass wir sehr von ihm profitieren können“, hatte der Bundestrainer schon im Vorfeld des Turniers betont. Er habe „unglaublich viel Wissen. Er hat die Sicht eines Weltklassespielers.“Das, ergänzte Löws Assistent Marcus Sorg, „ist für uns sehr wertvoll.“
Deshalb wird auch Kloses Rat gefragt sein, wenn Löw vier Spieler aus seinem vorläufigen 27-köpfigen Kader streichen muss. Geht es nach dem WM-Rekordtorjäger, muss nicht zwangsläufig einer der drei nominierten Stürmer dabei sein. „Wenn ich mich etwas weiter aus dem Fenster lehne, dann glaube ich schon, dass die Möglichkeit da ist“, sagt Klose. Er muss es wissen: Immerhin trainiert Klose in der Sportzone Rungg in Eppan speziell mit den Angreifern.
Auch wenn sich Klose selbst „überhaupt nicht“auf Augenhöhe mit Löw und Co. sieht („Das wäre vermessen“), spielt der 137-malige Nationalspieler (71 Tore) auf dem Weg zur Titelverteidigung eine wichtige Rolle beim Weltmeister. Er sei „so etwas wie ein Bindeglied zwischen Mannschaft und dem Trainerteam. Ich sehe noch einiges aus Spielersicht. Ich kann mich in die Spieler hineinversetzen. Das will der Trainer auch“, erklärte Klose seine Aufgabe.
Seit Ende 2016 ist Klose beim DFB integriert und dankbar über diese Lehrzeit unter Löw. „Das passiert hier auf allerhöchstem Niveau. Der Anspruch ist schon der Wahnsinn. Da muss alles sitzen“, sagte er.
Die Lehrzeit von Trainer-Praktikant Miroslav Klose bei Joachim Löw läuft dennoch nach der WM aus. Der dann 40 Jahre alte Weltmeister von 2014 will sich im Anschluss ganz auf seine Aufgabe als U17-Nachwuchscoach beim FC Bayern München konzentrieren. „Jetzt kommt die WM – und dann der Cut. Ich will es als Trainer selbst ausprobieren auf dem Platz. Pendeln zwischen Bayern und DFB geht nicht“, sagte Klose, der anführt: „Ich habe viel Lust genau auf diese Aufgabe. Ich würde nie den Fehler machen, Bayerns Nachwuchs als Sprungbrett nutzen zu wollen, um so schnell wie möglich nach oben zu kommen“, betonte Klose, der in München einen Zweijahresvertrag unterschrieben hat. Natürlich gebe es irgendwann einmal den Traum, Trainer in der Bundesliga zu sein, so Klose weiter, „sonst hätte ich diesen Weg nicht eingeschlagen. Aber ich muss erst einmal ein Gefühl für den Job entwickeln. Ich werde versuchen, mich selbst etwas zu bremsen – dass ich nicht denke, das geht alles von heute auf morgen.“
Klose hat bisher den A-Schein absolviert, der Fußballlehrer steht noch aus. „Ich habe in meiner Karriere schon immer einen Schritt nach dem anderen gemacht. Ich will Stufe für Stufe nehmen“, sagte er zu seinen Plänen. Es gebe „genügend Beispiele von Leuten, die von unten direkt nach oben gesprungen und dann die Leiter hinuntergefallen sind – und nie wieder Fuß gefasst haben. Das möchte ich nicht. Ich sehe das als Lernprozess.“