Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Kiews Bärendienst
Der angebliche Mord an Arkadi Babtschenko hat einen medialen Großalarm ausgelöst. Das setzt Kiew jetzt unter Druck. Die ukrainischen Behörden müssen ihre Erkenntnisse offenlegen. Gewöhnlich weigern sich Nachrichtendienste, tiefere Einblicke zu gewähren. Zieht sich die Ukraine auf diese Haltung zurück, wird ihr das Stigma der Unlauterkeit lange anhaften.
Damit hätte sie allen, die vor dem russischen Regime warnen, einen Bärendienst erwiesen. Nur zu gerne werden von interessierter Seite Bedenken an Kiews Vertrauenswürdigkeit ins Feld geführt, um Moskauer Rechtsverstöße zu verteidigen.
Fest steht: Der Casus Babtschenko wird wie der Einmarsch der USA im Irak 2003 – wegen vermeintlicher Vernichtungswaffen – zum festen Bestandteil des russischen Propagandaarsenals als Beleg für „westliche Täuschungsabsichten“. Schon deswegen sollte Kiew schleunigst für Aufklärung sorgen.
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ihn sei real gewesen. „Alles war genau so wie gesagt“, schreibt er auf Facebook. Wer ihm vorwerfe, die Öffentlichkeit in die Irre geführt zu haben, solle doch Prinzipienfestigkeit und Moral beweisen und stolz erhobenen Hauptes sterben, meint der Kriegsberichterstatter ironisch. Überdies sei er nicht dazu gezwungen worden, an der Aktion teilzunehmen.
Schwierige Beweislage
Hatte Moskau die Hände diesmal mit im Spiel? Wenn ja, wäre die Beweislage wie immer schwierig. Der Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja 2006 ist bis heute nicht aufgeklärt, ebensowenig wie der Tod des Oppositionellen Boris Nemzow, der 2015 vor dem Kreml erschossen wurde. Wer steckte hinter dem Polonium-Anschlag auf den geflohenen FSB-Mitarbeiter Alexander Litwinenko in London 2006? Wie lässt sich die Vergiftung des Überläufers Sergej Skripal in Salisbury bewerten? Wer schickte eigentlich russische Militärs in die Ostukraine? Die letzten Beweise in jedem dieser Fälle fehlen, die Verdachtsmomente sind jedoch erdrückend.