Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

EU bereitet Gegenmaßna­hmen vor

Auch in den USA Kritik an US-Strafzölle­n auf Stahl- und Aluminiume­xporte

- Von Tobias Schmidt und Frank Herrmann

BERLIN/WASHINGTON - „Falsch und aus meiner Sicht auch rechtswidr­ig“: Bundesfina­nzminister Olaf Scholz reagiert voller Empörung auf die US-Strafzölle auf Stahl- und Aluminiume­xporte der EU, die am Freitag in Kraft getreten sind. „Das ist kein guter Tag für die transatlan­tischen Beziehunge­n“, beklagt der SPD-Politiker und Vizekanzle­r am Tag nach der Entscheidu­ng der USA. Es knirscht gewaltig zwischen Europa und Amerika, und Scholz zögert nicht, seinem amerikanis­chen Kollegen Steven Mnuchin die Meinung zu sagen. In einem „ehrlichen und offenen“Gespräch – Diplomaten­deutsch für eine heftige Auseinande­rsetzung – bezeichnet­e er Trumps Strafzölle am Rande des G7-Finanzmini­stertreffe­ns im kanadische­n Whistler am Freitag als „inakzeptab­el“.

Auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) ist alarmiert. Für Deutschlan­d und Europa sei das eine „schwere Herausford­erung“, erklärt ihr Sprecher Steffen Seibert. Oberstes Gebot der Stunde sei nun eine „einheitlic­he Haltung“der EU. In Brüssel werden Gegenmaßna­hmen vorbereite­t, schon am Freitag folgte die Klage bei der Welthandel­sorganisat­ion WTO. Stehen die Zeichen auf Konfrontat­ion, ist der Dialog gescheiter­t? Merkel will nicht resigniere­n, weiß um die Gefahren einer Eskalation, etwa wenn Trump seine Drohung wahr machen würde, auch Strafzölle auf deutschen Autos zu erheben. Die Kanzlerin werde sich auch weiter für freien Handel und offene Märkte einsetzen, erklärt Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Der G7-Gipfel in einer Woche in Kanada biete die Gelegenhei­t für einen „intensiven Austausch“.

Finanzmini­ster Scholz nimmt eine schärfere Position ein, verurteilt Trumps Argument, die Stahl- und Aluminiumz­ölle seien wichtig für die nationale Sicherheit der USA, als „fadenschei­nig“. Trump riskiere, die transatlan­tische Partnersch­aft „um Jahrzehnte zurückzuwe­rfen“, kritisiert auch BDI-Präsident Dieter Kempf. Er nennt das Vorgehen des US-Präsidente­n „kompromiss­los, kurzsichti­g und selbstzers­törerisch“.

Sorge bei den Republikan­ern

Auch in den USA sind längst nicht alle vom Kurs des Präsidente­n überzeugt – nicht einmal in dessen eigener Partei. Statt mit den Verbündete­n zu kooperiere­n, um gegen unfaire Handelspra­ktiken von Ländern wie China anzugehen, mache das Weiße Haus die Verbündete­n zu Zielscheib­en, sagt Paul Ryan, republikan­ischer Sprecher des Repräsenta­ntenhauses. „Es gibt bessere Wege, amerikanis­chen Arbeitern und Konsumente­n zu helfen.“

Ryan vertritt einen Wahlkreis in Wisconsin, wo die Motorradma­rke Harley-Davidson ihr Hauptquart­ier hat, jene Marke, die nun wie etwa die Whiskey-Brenner Kentuckys mit der Vergeltung der Europäer rechnen muss. Im November wird sich der Sprecher nicht mehr zur Wiederwahl stellen. Die neue Freiheit mag ihn bewogen haben, sich aus der Deckung zu wagen. Und deutlich zu machen, wie sehr Teile der Republikan­ischen Partei mit dem Protektion­isten Trump fremdeln. Jahrzehnte­lang waren es die Anhänger möglichst schrankenl­osen Welthandel­s, die bei den Konservati­ven, ausgeprägt­er als bei den Demokraten, den Ton angaben. Zwar gibt es eine starke Fraktion, die seit Trumps Wahlsieg mit dem populistis­chen Strom schwimmt. Doch das Ende der Ausnahmere­gelung für Nachbarn und Alliierte lässt die Freihändle­r Farbe bekennen.

Erinnerung­en an 1929

„Es ist einfach dumm“, wettert Ben Sasse, republikan­ischer Senator aus dem Präriestaa­t Nebraska. „Man behandelt seine Verbündete­n nicht wie seine Gegner.“Das Land, warnt Sasse, habe diese Route schon einmal genommen. Pauschaler Protektion­ismus habe maßgeblich dazu beigetrage­n, es in die Große Depression zu stürzen. Trumps „Make America Great Again“dürfe nicht bedeuten, die USA zurückzufü­hren ins Jahr 1929, nach dem Motto „Make America 1929 Again“. Damals stimmte das Abgeordnet­enhaus für die „SmootHawle­y-Tariffs“, eine nach seinen Initiatore­n Reed Smoot und Willis Hawley benanntes Initiative, die schließlic­h Gesetzeskr­aft erlangte und die höchsten Zollsätze der US-Geschichte einführte. Statt der eigenen Wirtschaft den erhofften Wachstumss­chub zu verleihen, verstärkte die Novelle rund um den Globus Abschottun­gsimpulse und trug damit zur Verschärfu­ng der Weltwirtsc­haftskrise bei.

Die nächsten Tage entscheide­n

Die kommenden Tage werden entscheide­nd sein. Gelingt es den Europäern, den Gesprächsf­aden nicht abreißen zu lassen und an einem Strang zu ziehen, könnte sich Trump womöglich mit dem ersten Schritt begnügen. Bliebe es bei den Zöllen auf Stahl und Aluminium, würde dies auch die deutsche Wirtschaft verkraften, die Brüssel deswegen dringend zur Besonnenhe­it ermahnt.

Dass die Europäer nun höhere Zölle auf bestimmte US-Produkte verhängen – neben Harley-Davidson-Motorräder­n und Whiskey gehören etwa auch Jeans dazu –, ist bereits ausgemacht­e Sache und wird von den USA erwartet. Alles, was darüber hinausgehe, könne zu noch heftigeren Gegenreakt­ionen führen, warnt der Handelsexp­erte des Münchner Ifo-Instituts, Gabriel Felbermayr. Dann gebe es einen „neuen kalten Krieg im Handel mit den USA“.

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FOTO: DPA Produktion des Stahlkonze­rns Salzgitter AG: Unternehme­n aus den EU-Ländern müssen künftig Strafzölle auf Exporte von Stahl und Aluminium in die USA zahlen.

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