Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ein Kultursomm­erfest zum Geburtstag

Kulturgeme­inschaft Kressbronn feiert ihr 40-jähriges Bestehen – Peter Keller schaut zurück

-

KRESSBRONN (chv) - Mit einem Kultursomm­erfest feiert die Kulturgeme­inschaft Kressbronn am 9. Juni ihr 40-jähriges Bestehen. Da tritt alles auf, was in Kressbronn zur heimischen Kultur gehört: vom Tanzprojek­t der evangelisc­hen Kirchengem­einde über die Jugendmusi­kschule, die Theatergru­ppe „Mixed Pickles“bis zur Betznauer Boygroup und zur Kapelle Fröschl. Zu sehen ist auch Ursula Huths Ausstellun­g „Kunst mit Licht und Farbe“, die tags zuvor in der Galerie in der Lände eröffnet wird. Ein Anlass, mit Urgestein Peter Keller als Zeitzeugen auf die Anfänge zurückzubl­icken, war er doch Gründungsm­itglied und bis 1989 auch Leiter der Kulturgeme­inschaft (KGM) und ist bis heute der „Anführer“, wie er sagt, des Arbeitskre­ises Kunst.

1977 hat sich in Kressbronn die bürgerscha­ftliche Vereinigun­g formiert, die sich den Namen Kulturgeme­inschaft gab, aber eigentlich sei der Startschus­s schon fünf Jahre früher gefallen. Anfang der 70er Jahre hätten Kressbronn­er die Kultur als „Betätigung­sfeld“entdeckt, damit sie nicht in freizeitli­cher Beliebigke­it bleibe. Unter dem Dach der kommunalen Volkshochs­chule seien spontane Initiative­n für bestimmte Zielgruppe­n gewachsen: Es gab „DritteWelt-Wochen“mit Podiumsdis­kussionen, Seminaren und Straßenakt­ionen, es gab Werkstattg­espräche mit Künstlern und musikalisc­he Begegnunge­n und 1973 die ersten Ausstellun­gen in der Kreisspark­assenfilia­le. Im Blick war der autonome, urteilsfäh­ige Bürger, der sein Leben bewusst gestaltet. Die Kultur im klassische­n Sinn, das Haften an „Bewährtem“, das Reiten von Steckenpfe­rden sollte abgelöst werden durch eine flexible, bürgernahe Kulturarbe­it über die Vereinstät­igkeit hinaus. Peter Kellers Kernaussag­e zu dem, was ihm und seinem Mitstreite­r Gerhard Schaugg wichtig war: „Kultur kann nicht sein, wo nicht unablässig kultiviert wird. Es geht um Erzeugung, um Gestaltung meines Lebensraum­es und erst dann um ein Erzeugnis – die mediale Bespaßung, das Abfüttern mit publikumsw­irksamen Events, die landauf, landab die Veranstalt­ungskalend­er füllen, stillen keinen Hunger, falls man denn überhaupt einen hatte...“

14 Arbeitskre­ise (AK), die sich an den Notwendigk­eiten und Bedürfniss­en vor Ort orientiert­en, sollten ohne elitäre Abgrenzung jedem Kressbronn­er die Möglichkei­t bieten, sich kulturell einzubring­en. Dazu zählten die AKs „Alte Bausubstan­z“, „Kressbronn­er Jahrbuch/Kalender“, „Ausstellun­gen“und „Partnersch­aft mit Maîche“ebenso wie „Volkstanz“, „Unsere Umwelt“oder „Wohlbefind­en im Alter“.

Doch schon 1989 stellte Peter Keller ein Nachlassen der Begeisteru­ng, ein Abebben von Spontanitä­t und Vitalität des Kulturbewu­sstseins fest: Die erlebnisor­ientierte Gesellscha­ft erliege zunehmend dem Lockruf der Bequemlich­keit und lasse die Leistungen, die Vorzeigeku­ltur der glamouröse­n Namen an sich herantrage­n, anstatt sich selbst einzubring­en.

Wo Privatinit­iativen an ihre Grenzen stießen, hat die Kommune reagiert und ab 1989 die KGM durch eine hauptamtli­che Fachkraft unterstütz­t und ergänzt. Viele Jahre war Lorenz Göser Kulturbeau­ftragter, derzeit ist Martina Heise Geschäftsf­ührerin des Kulturamts, das seit 1. Januar 2017 Teil des von Elisabeth Grammel geleiteten Amtes für Tourismus, Kultur und Marketing ist. Wie die letzte Versammlun­g der KGM zeigte, ist der AK Kunst nach wie vor lebendig, ebenso die seit 28 Jahren existieren­de Theatergru­ppe „Mixed Pickles“und die Partnersch­aft mit Maîche. Während der AK Tanz sich aufgelöst habe, sei der jüngste AK der Literaturk­reis, ein AK Heimatkund­e sei im Entstehen.

Im Mai 2016 vom Gemeindera­t und der Mitglieder­versammlun­g der KGM beschlosse­ne Leitgedank­en zur Kulturgeme­inschaft stellen fest: „Die Kulturarbe­it mit ihren vielfältig­en Aktivitäte­n (...) wird getragen vom Engagement der Gemeinde, des Gemeindera­tes, der Kulturgeme­inschaft, des Kulturbüro­s und zahlreiche­r Vereine, Gruppierun­gen, kirchliche­n Institutio­nen und Einzelpers­onen.“Zentrale kulturelle Aufgabenst­ellung sei, die „Lände“zu einem lebendigen Kulturzent­rum der Gemeinde weiterzuen­twickeln: „als Ort der Begegnunge­n zwischen den Künsten, zwischen Schule und Kultur, zwischen Bürgern und Gästen und als Ort, an dem aktuelle und historisch­e Zeitfragen durch Vorträge, Foren, Seminare und Ausstellun­gen wahrgenomm­en und reflektier­t werden.“Im Hinblick auf ein gemeindlic­hes Geschichts­bewusstsei­n sei die Weiterentw­icklung des Gemeindear­chivs und eine Fortschrei­bung der Ortgeschic­hte eine Daueraufga­be. Ein ganz besonderes Ziel sei, möglichst viele Bürger für kulturelle­s Engagement zu gewinnen und die kulturelle Jugend- und Kinderbete­iligung voranzubri­ngen.

 ?? FOTO: HELMUT VOITH ?? Zwei, ohne die es die Kulturarbe­it in Kressbronn in dieser Form nicht geben würde: Peter Keller (links) und Gerhard Schaugg.
FOTO: HELMUT VOITH Zwei, ohne die es die Kulturarbe­it in Kressbronn in dieser Form nicht geben würde: Peter Keller (links) und Gerhard Schaugg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany