Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Freunde, trotz allem

Die Eiszeit zwischen der Kanzlerin und Israels Premier Netanjahu scheint vorbei

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - Angela Merkel und Benjamin Netanjahu lassen die Journalist­en warten. Mit einer halben Stunde Verspätung treten die Kanzlerin und Israels Ministerpr­äsident gestern in Berlin vor die Hauptstadt­presse. Immerhin kommen beide nicht mit leeren Händen: Die vergangene­s Jahr abgesagten deutsch-israelisch­en Regierungs­konsultati­onen werden nachgeholt, „am 4. Oktober in Israel“, verkündet Merkel. Ein positives Signal. Allen Streitpunk­ten und der kurzen Eiszeit zum Trotz stehen die Zeichen auf Tauwetter. „Es gibt nicht in allen Fragen Übereinsti­mmung. Aber wir sind Freunde, wir sind Partner“, erklärt die Kanzlerin.

Die deutsch-israelisch­en Beziehunge­n seien „ein großes Geschenk“, für das es sich lohne, jeden Tag aufs Neue zu arbeiten, sagt die Kanzlerin auch mit Blick auf den 70. Jahrestag der israelisch­en Staatsgrün­dung. Auch Netanjahu betont die „sehr enge Verbindung und das hervorrage­nde Bündnis“beider Länder. Deutsch-israelisch­e Charmeoffe­nsive im Kanzleramt.

Der Iran-Deal im Vordergrun­d

Die israelisch­e Siedlungsp­olitik, der Nahost-Konflikt stören das Verhältnis. Im Vordergrun­d aber steht gestern das iranische Atomabkomm­en, das US-Präsident Donald Trump aufgekündi­gt hatte und das Merkel und die Europäer unbedingt retten wollen. „Wir glauben, dass das Abkommen die iranischen Aktivitäte­n unter Kontrolle halten kann“, argumentie­rt Merkel für den Erhalt des Deals, mit dem sich der Iran strengsten internatio­nalen Kontrollen unterwirft. Netanjahu hält dagegen, verweist auf aktuelle Aussagen des geistliche­n iranischen Führers Ayatollah Chamenei, wonach Israel ein „Krebsgesch­wür“sei und von der Landkarte getilgt werden solle. „Er will weitere sechs Millionen Juden vernichten“, sagt der israelisch­e Ministerpr­äsident mit Bezug zum Holocaust.

Israels Existenzan­gst – die Kanzlerin zeigt dafür Verständni­s. Sie lehnt Chameneis Äußerungen aufs schärfste ab und verspricht: „Wir stehen selbstvers­tändlich für Israels Recht auf Sicherheit ein.“Neben der Sicherheit­sgarantie, die zur deutschen Staatsräso­n gehöre, geht Merkel einen weiteren Schritt auf Netanjahu zu. Israel hatte Geheimdoku­mente an die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde übergeben, die das iranische Streben nach der Bombe beweisen sollen. Nachdem der Gehalt der Informatio­nen zunächst in Berlin angezweife­lt worden war, sichert die Kanzlerin nun zu, man unterstütz­e den Wunsch Israels, dass die IAEA das Material prüfe.

Sollten die Atomexpert­en zu dem Schluss kommen, Teheran versuche trotz Abkommens den Bombenbau voranzutre­iben, dürfte das deutsche Festhalten an dem Deal kaum zu halten sein. Doch davon will die Kanzlerin gestern nichts wissen, setzt darauf, Anschlussr­egelungen zu finden, um Teheran weiter der Kontrolle zu unterwerfe­n.

Benjamin Netanjahu, Merkels „schwierige­r Freund“: Auch der Nahost-Konflikt kommt gestern zur Sprache.

Die Frage nach der Botschaft

Ob Deutschlan­d Trumps Schritt folgen und seine Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen werde, wird die Kanzlerin von einem israelisch­en Journalist­en gefragt. Die Hauptstadt­frage könne nur „im Rahmen eines Abkommens“geklärt werden, macht sie klar, betont, sie werde alles für eine Zwei-Staaten-Lösung tun. Und dazu gehöre auch „ein Staat für die Palästinen­ser“.

Und doch: Die Kluft, die nach dem Besuch von Ex-Außenminis­ter Sigmar Gabriel in Israel entstanden war, als Netanjahu einen Termin mit Gabriel absagte, weil der sich zuvor mit Regierungs­kritikern getroffen hatte, scheint überwunden. Nach der Pressekonf­erenz reichen sich die Kanzlerin und ihr israelisch­er Gast die Hand, lächeln vor den Flaggen beider Länder in die Kameras.

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FOTO: SINA SCHULDT Angela Merkel und Benjamin Netanjahu am Ende ihrer Pressekonf­erenz.

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