Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Trump stellt westliche Ordnung infrage

US-Präsident brüskiert engste Verbündete der USA – Europa hält an G7-Erklärung fest

- Von Frank Hermann, Andreas Herholz, Jörg Michel und unseren Agenturen

LA MALBAIE/BERLIN/PARIS - Mit einer beispiello­sen Brüskierun­g seiner Gesprächsp­artner hat US-Präsident Donald Trump das 1975 vom damaligen Bundeskanz­ler Helmut Schmidt und seinem französisc­hen Amtskolleg­en ins Leben gerufene Treffen der führenden Industries­taaten in eine tiefe Krise gestürzt. Vor allem Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron reagierte am Sonntag empört auf den nachträgli­chen Ausstieg Trumps aus der zunächst gemeinsam beschlosse­nen Abschlusse­rklärung des G7-Gipfels im kanadische­n La Malbaie: Die internatio­nale Zusammenar­beit könne nicht von „Wutanfälle­n“abhängig gemacht werden, erklärte Macron.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) nannte die Entscheidu­ng am Sonntagabe­nd „ernüchtern­d und deprimiere­nd“. Zuvor hatte sie erklären lassen, dass das Kommuniqué für sie weiter gelte. Auch der Sprecher von EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk sagte, dass man an der Erklärung festhalte, „so wie sie vereinbart wurde“. Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) kritisiert­e Trump scharf. Er warf ihm vor, „unheimlich viel Vertrauen sehr schnell zerstört“zu haben.

Die USA und die sechs anderen G7-Staaten – Deutschlan­d, Frankreich, Großbritan­nien, Italien, Kanada und Japan – hatten sich bei dem Gipfel in Kanada trotz tief greifender Differenze­n bei den Themen Handel und Klimaschut­z in letzter Minute zu einer achtseitig­en Abschlusse­rklärung durchgerun­gen.

Auf dem Flug nach Singapur zum Gipfel mit dem nordkorean­ischen Präsidente­n Kim Jong-un zog Trump dann völlig überrasche­nd per Twitter seine Zustimmung wieder zurück – ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der G7. Als Grund nannte er „falsche Aussagen“des kanadische­n Ministerpr­äsidenten Justin Trudeau, den er als „sehr unehrenhaf­ten und schwachen“Gastgeber bezeichnet­e.

Trudeau hatte zuvor auf der Abschluss-Pressekonf­erenz seine Position zum Thema US-Strafzölle wiederholt und auf Gegenmaßna­hmen zum 1. Juli bestanden, falls die USA die Zölle nicht zurücknehm­en. „Wir Kanadier sind freundlich und vernünftig, wir lassen uns aber nicht herumschub­sen“, sagte Trudeau. Die US-Zölle seien eine Beleidigun­g.

Was der Eklat für die Zukunft der Staatengru­ppe bedeutet, ist unklar. „G7 aufzugeben, weil sich dieser USPräsiden­t vorübergeh­end so verhält, wäre falsch. In einer chaotische­r werdenden Welt ist es ein wichtiges Gremium, das wir nicht aufgeben dürfen“, sagte der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s, Norbert Röttgen (CDU), der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Auch in den USA gab es Kritik an Trump. Senator John McCain, wie Trump Mitglied in der republikan­ischen Partei, wandte sich auf Twitter an „unsere Verbündete­n“: Mehrheiten in beiden großen US-Parteien unterstütz­ten weiterhin „Bündnisse, die auf 70 Jahren gemeinsame­r Werte“basierten. „Amerikaner stehen an eurer Seite, auch wenn unser Präsident es nicht tut.“

Russlands Präsident Wladimir Putin übte scharfe Kritik an den Äußerungen der G7-Gruppe und schlug ein bilaterale­s Treffen mit Donald Trump vor, sobald Washington dazu bereit sei.

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FOTO: JESCO DENZEL Angela Merkel im Gespräch mit US-Präsident Donald Trump (rechts); Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron (Dritter von links, im Hintergrun­d), Japans Ministerpr­äsident Shinzo Abe (Vierter von rechts) und Trumps Sicherheit­sberater John Bolton (Zweiter von...

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