Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Trump stellt westliche Ordnung infrage
US-Präsident brüskiert engste Verbündete der USA – Europa hält an G7-Erklärung fest
LA MALBAIE/BERLIN/PARIS - Mit einer beispiellosen Brüskierung seiner Gesprächspartner hat US-Präsident Donald Trump das 1975 vom damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und seinem französischen Amtskollegen ins Leben gerufene Treffen der führenden Industriestaaten in eine tiefe Krise gestürzt. Vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron reagierte am Sonntag empört auf den nachträglichen Ausstieg Trumps aus der zunächst gemeinsam beschlossenen Abschlusserklärung des G7-Gipfels im kanadischen La Malbaie: Die internationale Zusammenarbeit könne nicht von „Wutanfällen“abhängig gemacht werden, erklärte Macron.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte die Entscheidung am Sonntagabend „ernüchternd und deprimierend“. Zuvor hatte sie erklären lassen, dass das Kommuniqué für sie weiter gelte. Auch der Sprecher von EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte, dass man an der Erklärung festhalte, „so wie sie vereinbart wurde“. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) kritisierte Trump scharf. Er warf ihm vor, „unheimlich viel Vertrauen sehr schnell zerstört“zu haben.
Die USA und die sechs anderen G7-Staaten – Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada und Japan – hatten sich bei dem Gipfel in Kanada trotz tief greifender Differenzen bei den Themen Handel und Klimaschutz in letzter Minute zu einer achtseitigen Abschlusserklärung durchgerungen.
Auf dem Flug nach Singapur zum Gipfel mit dem nordkoreanischen Präsidenten Kim Jong-un zog Trump dann völlig überraschend per Twitter seine Zustimmung wieder zurück – ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der G7. Als Grund nannte er „falsche Aussagen“des kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau, den er als „sehr unehrenhaften und schwachen“Gastgeber bezeichnete.
Trudeau hatte zuvor auf der Abschluss-Pressekonferenz seine Position zum Thema US-Strafzölle wiederholt und auf Gegenmaßnahmen zum 1. Juli bestanden, falls die USA die Zölle nicht zurücknehmen. „Wir Kanadier sind freundlich und vernünftig, wir lassen uns aber nicht herumschubsen“, sagte Trudeau. Die US-Zölle seien eine Beleidigung.
Was der Eklat für die Zukunft der Staatengruppe bedeutet, ist unklar. „G7 aufzugeben, weil sich dieser USPräsident vorübergehend so verhält, wäre falsch. In einer chaotischer werdenden Welt ist es ein wichtiges Gremium, das wir nicht aufgeben dürfen“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), der „Schwäbischen Zeitung“.
Auch in den USA gab es Kritik an Trump. Senator John McCain, wie Trump Mitglied in der republikanischen Partei, wandte sich auf Twitter an „unsere Verbündeten“: Mehrheiten in beiden großen US-Parteien unterstützten weiterhin „Bündnisse, die auf 70 Jahren gemeinsamer Werte“basierten. „Amerikaner stehen an eurer Seite, auch wenn unser Präsident es nicht tut.“
Russlands Präsident Wladimir Putin übte scharfe Kritik an den Äußerungen der G7-Gruppe und schlug ein bilaterales Treffen mit Donald Trump vor, sobald Washington dazu bereit sei.