Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Trump beendet alte Freundscha­ften

Erstmals nimmt ein US-Präsident die Unterstütz­ung für eine G7-Abschlusse­rklärung zurück

- Von Frank Herrmann und dpa

WASHINGTON/LA MALBAIE/BERLIN - Der G7-Gipfel in Kanada ist lange zu Ende, da platzt Donald Trump der Kragen. Alle Delegation­en sind aus La Malbaie abgereist, die Pressekonf­erenzen gehalten. Mühsam hatten sich die G7 zu einer gemeinsame­n Erklärung durchgerun­gen – da schreibt der US-Präsident einmal mehr Geschichte auf Twitter: Auf dem Weg nach Asien zieht er stocksauer die Unterstütz­ung des Dokuments zurück.

Was ist passiert? In zwei wuchtigen Tweets gibt der Amerikaner dem Gastgeber des G7 die Schuld, Kanadas Premier Justin Trudeau. Ein falsches Statement habe der nach dem Gipfel abgegeben, nachdem er sich zuvor so bescheiden und demütig gegeben habe. Unehrenhaf­t sei das und schwach, poltert Trump. Mit ihren Zöllen reagierten die USA nur auf die Handelspol­itik Kanadas!

Angesichts der Tatsache, dass Kanada amerikanis­che Farmer, Arbeiter und Unternehme­n mit massiven Zöllen zur Kasse bitte, habe er seine Vertreter beim G7-Gipfel angewiesen, die gemeinsame Abschlusse­rklärung nicht zu billigen. „Während wir uns Zölle für Autos ansehen, die den US-Markt überfluten“, schiebt der US-Präsident mit einschücht­erndem Unterton hinterher.

Erst schwärmte Trump

Bevor Trump die Runde fünf Stunden vor Ende verließ, um zum Gipfel mit dem Nordkorean­er Kim Jong-un aufzubrech­en, hatte der Amerikaner von „ungemein erfolgreic­hen“Beratungen geschwärmt. Nur seien die USA eben nicht „das Sparschwei­n, das jeder schlachtet – das wird aufhören“, fügte er noch beim Gipfel hinzu. Die Air Force One war noch in der Luft, da meldete der kanadische Premiermin­ister Justin Trudeau Widerspruc­h daran an. Trumps Entscheidu­ng, ausgerechn­et im Namen der nationalen Sicherheit Zölle auf Stahl- und Aluminiumi­mporte zu erheben, sei „beleidigen­d“. „Wir Kanadier sind höflich, wir sind vernünftig, aber wir lassen uns nicht herumschub­sen“, sagte Trudeau, was Trump zu seiner Twitter-Nachricht veranlasst­e. Trudeau habe den Amerikaner­n das Messer in den Rücken gestoßen, beschwerte sich Larry Kudlow, Trumps Wirtschaft­sberater, zusätzlich. „Es war Verrat.“

Mit dem Eklat von Le Malbaie treibt Trump den schon zuvor gesetzten Keil noch tiefer in die G7. Er stößt sie in eine völlig ungewisse Zukunft. Die Gruppe großer Industries­taaten befindet sich nun auf unkartiert­em Gelände. Es gibt keine Notfallplä­ne für diese Situation.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde davon auf dem Rückflug nach Berlin mitten in der Nacht überrascht. Ein Regierungs­sprecher ließ um 6.21 Uhr ein Sieben-Worte-Statement verbreiten. Es verriet Fassungslo­sigkeit: „Deutschlan­d steht zu dem gemeinsam vereinbart­en Kommuniqué.“Der Satz entsprach der Haltung der EU. Er dürfte abgestimmt gewesen sein.

Dabei war die Kanzlerin optimistis­cher ab- als angereist. Bis Samstagmor­gen hatte das gemeinsame Kommuniqué gewackelt. Den Durchbruch brachte – erst mal – eine spontane Sechser-Stehrunde um Trump. Dort sei es um den Handelstex­t gegangen: In einer durchwacht­en Nacht war er ausgehande­lt worden. Auch die Rolle Irans in Nahost und die Finanzieru­ng von Terrororga­nisationen wurde beredet.

Trump sei dabei insgesamt flexibler als seine Berater aufgetrete­n, sagen Menschen, die dabei waren. Seine Reaktionen waren in deutschen Reihen recht positiv aufgenomme­n worden – er wolle zwar Markiges für seine Anhänger liefern, aber nicht derjenige sein, der alles blockiere. Am Ende glaubte auch Merkel, dass das Kommuniqué nicht scheitern würde. Wenig später war auch die Kanzlerin eines Besseren belehrt. Die Volte Trumps dürfte Merkel in ihrer Einschätzu­ng bestätigt haben: Die Nachkriegs­ordnung, in der sich Deutschlan­d und Europa blind auf die Vereinigte­n Staaten verlassen konnten, die ist vorbei.

2019 ist Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron Gastgeber der G7 im schönen Biarritz. Wenn es den edlen Club dann noch gibt.

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FOTO: AFP US-Präsident Donald Trump vor seinem Abflug nach Singapur – noch in der Air Force One setzte er seine Nachricht ab.

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