Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Steckt die Smartphone­s weg

- Von Harald Ruppert

Früher, als die ersten Videorekor­der aufkamen, dauerte es nicht lange, bis die ersten Querdenker sich meldeten. Die Aufzeichnu­ngs- technik gaukle den Menschen ein Mehr an Lebenszeit vor, das sie gar nicht haben, argumentie­rten sie. Da war etwas dran: Wie oft sah man sich die aufgezeich­neten Fernsehsen­dungen niemals an weil man die Zeit dazu schließlic­h doch nicht fand. Erst wo Zeit begrenzt ist, muss entschiede­n werden, wie sie genutzt werden soll. Also tue, was du tust, ganz bewusst.

Spätestens der letzte Satz wirkt heute aber völlig antiquiert. Um das festzustel­len, braucht man sich nur in den Bahnhof Fischbach zu setzen, oder in eine beliebige andere kulturelle Veranstalt­ung: Kaum wird es auf der Bühne hell, leuchten im Saal die Bildschirm­chen: das Publikum filmt die Auftritte mit. Fragt sich nur: wozu? Schauen sich die Leute später zu Hause an, was sie live verpasst haben? Eines ist nämlich augenfälli­g: Wer einen Live-Auftritt durchs Display verfolgt, hat weniger davon. Wenn auf der Bühne ein Comedian steht, lässt sich das sogar belegen: Da herrscht einhellige­s Gelächter, außer bei den Handy-Haltern. Es könnte ja sein, dass beim Lachen der Bildschirm-Ausschnitt verrutscht sofern sie die Pointen überhaupt mitbekomme­n. Gelegentli­ch kommt es vor, dass Bühnenküns­tler die uferlose Filmerei einschränk­en. Wenn man von Aufpassern dann aufgeforde­rt wird, das Handy bitte wegzulegen, sollte man das aber nicht als Einschränk­ung betrachten, sondern als Hilfe zur Selbsthilf­e. Ein wirkliches Live-Erlebnis macht eben nur der, der es nicht mitfilmt.

So sieht das auch der Rest des Publikums, der sich von den Mitfilmern gestört fühlt. Inzwischen gibt es Leute, die sich im GZH Karten der teuersten Kategorie nicht deshalb leisten, weil sie die Künstler unbedingt aus besonderer Nähe sebrasilia­nischer hen wollen - sondern weil mit jeder Sitzreihe, die man nicht vor sich hat, die Zahl der Handy-Schwenker sinkt, über die man sich aufregen muss. Niemand würde auf die Idee kommen, in einem abgedunkel­ten Konzertsaa­l eine Taschenlam­pe anzuknipse­n. Ein leuchtende­r Smartphone-Bildschirm ist aber auch nichts anderes.

Die Kulturtipp­s der Woche: am heutigen Montag liest die TheaterIko­ne Claus Peymann um 20 Uhr im Kiesel aus Thomas Bernhards Skandal-Roman „Holzfällen“- in dem Peymann selbst vorkommt. Der Verein Jazzport bietet im Amicus am Donnerstag um 20.30 Uhr ein Konzert der Band Patuscada, mit Musik, die ideal zum derzeitige­n Thermomete­rstand passt. Bühnenreif­e Bands und Ensembles der Musikschul­e Friedrichs­hafen treten am Samstag um 20 Uhr im Theater Atrium auf, mit einer Bandbreite von Klassik über Musical bis zur Rockmusik. In Meckenbeur­en feiert der Chor Frauenband­e bei Kultur am Gleis 1 sein fünfjährig­es Bestehen mit schwungvol­len Konzerten unter der Leitung von Jürgen Jakob - am Samstag um 20 Uhr und am Sonntag um 19 Uhr. Schließlic­h lädt das Schulmuseu­m am Sonntag ab 11 Uhr zum Museumsund Gartenfest ein, mit LiveMusik, Sonderführ­ungen und Kreativakt­ionen.

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