Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Steckt die Smartphones weg
Früher, als die ersten Videorekorder aufkamen, dauerte es nicht lange, bis die ersten Querdenker sich meldeten. Die Aufzeichnungs- technik gaukle den Menschen ein Mehr an Lebenszeit vor, das sie gar nicht haben, argumentierten sie. Da war etwas dran: Wie oft sah man sich die aufgezeichneten Fernsehsendungen niemals an weil man die Zeit dazu schließlich doch nicht fand. Erst wo Zeit begrenzt ist, muss entschieden werden, wie sie genutzt werden soll. Also tue, was du tust, ganz bewusst.
Spätestens der letzte Satz wirkt heute aber völlig antiquiert. Um das festzustellen, braucht man sich nur in den Bahnhof Fischbach zu setzen, oder in eine beliebige andere kulturelle Veranstaltung: Kaum wird es auf der Bühne hell, leuchten im Saal die Bildschirmchen: das Publikum filmt die Auftritte mit. Fragt sich nur: wozu? Schauen sich die Leute später zu Hause an, was sie live verpasst haben? Eines ist nämlich augenfällig: Wer einen Live-Auftritt durchs Display verfolgt, hat weniger davon. Wenn auf der Bühne ein Comedian steht, lässt sich das sogar belegen: Da herrscht einhelliges Gelächter, außer bei den Handy-Haltern. Es könnte ja sein, dass beim Lachen der Bildschirm-Ausschnitt verrutscht sofern sie die Pointen überhaupt mitbekommen. Gelegentlich kommt es vor, dass Bühnenkünstler die uferlose Filmerei einschränken. Wenn man von Aufpassern dann aufgefordert wird, das Handy bitte wegzulegen, sollte man das aber nicht als Einschränkung betrachten, sondern als Hilfe zur Selbsthilfe. Ein wirkliches Live-Erlebnis macht eben nur der, der es nicht mitfilmt.
So sieht das auch der Rest des Publikums, der sich von den Mitfilmern gestört fühlt. Inzwischen gibt es Leute, die sich im GZH Karten der teuersten Kategorie nicht deshalb leisten, weil sie die Künstler unbedingt aus besonderer Nähe sebrasilianischer hen wollen - sondern weil mit jeder Sitzreihe, die man nicht vor sich hat, die Zahl der Handy-Schwenker sinkt, über die man sich aufregen muss. Niemand würde auf die Idee kommen, in einem abgedunkelten Konzertsaal eine Taschenlampe anzuknipsen. Ein leuchtender Smartphone-Bildschirm ist aber auch nichts anderes.
Die Kulturtipps der Woche: am heutigen Montag liest die TheaterIkone Claus Peymann um 20 Uhr im Kiesel aus Thomas Bernhards Skandal-Roman „Holzfällen“- in dem Peymann selbst vorkommt. Der Verein Jazzport bietet im Amicus am Donnerstag um 20.30 Uhr ein Konzert der Band Patuscada, mit Musik, die ideal zum derzeitigen Thermometerstand passt. Bühnenreife Bands und Ensembles der Musikschule Friedrichshafen treten am Samstag um 20 Uhr im Theater Atrium auf, mit einer Bandbreite von Klassik über Musical bis zur Rockmusik. In Meckenbeuren feiert der Chor Frauenbande bei Kultur am Gleis 1 sein fünfjähriges Bestehen mit schwungvollen Konzerten unter der Leitung von Jürgen Jakob - am Samstag um 20 Uhr und am Sonntag um 19 Uhr. Schließlich lädt das Schulmuseum am Sonntag ab 11 Uhr zum Museumsund Gartenfest ein, mit LiveMusik, Sonderführungen und Kreativaktionen.