Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Auf Zeitreise durch die Langenargener Ortsgeschichte
Teilnehmer des Seniorennachmittags im Münzhof Langenargen erkundigen sich über die Historie der Gemeinde
LANGENARGEN (sz) - „Die ‚versunkene Stadt am Bodensee‘: Aufstieg, Niedergang und Neubeginn Langenargens“lautete der Titel des Vortrages von Gemeindearchivar Andreas Fuchs beim Seniorennachmittag im bis auf den letzten Platz gefüllten Münzhof. In seinem Vortrag führte Fuchs die Gäste auf eine Zeitreise durch die Langenargener Ortsgeschichte von den ersten Siedlungsspuren zwischen 10 000 und 4500 vor Christus bis in die Gegenwart.
Erstmals schriftlich genannt werden Personen aus Oberdorf und Langenargen in Urkunden aus den Jahren 769 und 773, heißt es in einem Bericht. Die kontinuierliche Geschichtsschreibung verdichtet sich im 14. Jahrhundert mit Errichtung der Burg Argen, einer wehrhaften Festung auf einer Insel bei Langenargen im Obersee. Der ursprüngliche Siedlungskern befand sich im Bereich des heutigen Friedhofes. Überreste der Martinskirche finden sich in der Friedhofskapelle St. Anna wieder.
Unruhige Zeiten im 16. und 17. Jahrhundert
Im 15. und 16. Jahrhundert war Langenargen Residenzstadt des montfortischen Kleinststaates im Heiligen Römischen Reich, erhielt das Stadtrecht und war mit einer städtischen Infrastruktur ausgestattet sowie eingeschränkt selbstverwaltet. Das Unterdorf, das Städtle und das Oberdorf bildeten sich aufgrund der Dreiteilung durch die Befestigung des Mittelteils heraus.
Ab dieser Zeit wird die Ortsbezeichnung „Langenargen“fortwährend verwendet, zuvor hieß die Ansiedlung lediglich Argen. Nach dieser residenzstädtischen Blüte erlebte Langenargen im 16. und 17. Jahrhundert mit Kriegen, Missernten und Epidemien unruhige Zeiten, die mit dem Westfälischen Frieden und einer Umwandlung der Burg in ein repräsentatives Schloss endeten.
Im 18. Jahrhundert entstanden als montfortische Stiftungen die spätbarocke Pfarrkirche Sankt Martin und das Hospital zum „Heiligen Geist“. Mit dem Staatsbankrott der Grafen von Montfort 1780 und mehrfachen Wechseln der Landesherrschaft verlor Langenargen alle zentralörtlichen Funktionen, die einstmalige Residenzstadt war „versunken“.
Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts wanderten Teile der Bevölkerung aus in die „Neue Welt“und gleichzeitig erhielt der Ort durch Regierungsbeschluss eine neue Lebensgrundlage für die Langenargener Bevölkerung: den Fremdenverkehr. Die prominente Besucherin Annette von Droste-Hülshoff schwärmte in ihren Briefen von Langenargen: „Versäume ja Langenargen nicht.“Mit dem Einzug von Prinzessin Luise von Preußen in das neu errichtete „Schloss Montfort“ab 1873 entstand hier ein Treffpunkt des europäischen Hochadels. Aus einfachen Tavernen wurden Hotels und die „versunkene Stadt am Bodensee“erstand wieder auf.
Schwierige Zeiten kamen wieder mit dem Ersten Weltkrieg, der turbulenten Novemberrevolution 1918 und der Entstehung der Weimarer Republik. In den „goldenen“1920er-Jahren wurde Langenargen Wissenschaftsstandort mit dem Neubau des Institutes für Seenforschung. Die farbenprächtigen Gemälde von Professor Hans Purrmann bereicherten damals schon das künstlerische Leben in Langenargen. Mit dem Ende der Republik 1933 und mit Beginn der NaziHerrschaft erlebte Langenargen als Reiseziel von „Kraft durch Freude“den ersten Massentourismus. In dieser Zeit sammelten Langenargener Bürger im Ort Geld, um das Schloss für die Öffentlichkeit zu erwerben. Auch wurde Oberdorf im Dritten Reich eingemeindet.
Ab 1943 kam der Krieg an den See, im April 1945 wurde Langenargen von den Franzosen besetzt, die beschlagnahmten Gebäude wurden ab 1950 wieder freigegeben. Danach setzte Langenargen aufgrund des Charmes seines Ortsbildes den Höhenflug als Tourismusmetropole alsbald fort und gewann in den folgenden Jahren weiter an Attraktivität. Sowohl die Einwohner- wie auch die Gästezahlen sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts deutlich angestiegen.
Die abschließende Annäherung an die Langenargener Volksseele zeigte deren maßgebliche Komponenten auf: Einerseits die dunkle, „hälingene“Seite, entstanden durch die Auflösung dörflichen Zusammengehörigkeitsgefühl infolge der frühen Einführung des Tourismus und daraus resultierender Neid- und Missgunstempfindungen.
Andererseits der hier überdurchschnittlich entwickelte Lokalpatriotismus, ebenfalls auf den tradierten Pfadabhängigkeiten der außergewöhnlichen Ortsgeschichte ruhend. Letzteren gelte es zu aktivieren, um die Gemeinde erfolgreich in die Zukunft führen zu können.