Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Ein Comeback, das Mr. Ecclestone gefällt
Die Formel 1 gastiert nach 28 Jahren Pause wieder in Le Castellet – Drei französische Fahrer, keine Referenzdaten
LE CASTELLET (dpa/SID) - Die Vision eines Schnapshändlers führt die Formel 1 zurück zu ihren Wurzeln. Reich geworden mit hochprozentigem Pastis, ließ Geschäftsmann Paul Ricard einst zu Werbezwecken eine Strecke ins Hinterland der Côte d’Azur bauen, die an diesem Sonntag (16.10 Uhr/ RTL) zum Schauplatz des FrankreichComebacks der Rennserie wird. Nach zehn Jahren macht die Formel 1 wieder Station in dem Land, das den Motorsport erfand.
„Eine echte Demütigung“sei die lange Pause für die Franzosen gewesen, behauptet Rennchef Christian Estrosi. Der frühere Bürgermeister von Nizza, der vor seiner Politikkarriere als Motorradpilot WM-Läufe gefahren ist, holte die Formel 1 nach langen Verhandlungen zurück. Rund 30 Millionen Euro müssen die Organisatoren dafür investieren, nur knapp die Hälfte ist durch öffentliche Subventionen gedeckt.
Neuland auch für die Ingenieure
Bevor das Vollgasspektakel jedoch endlich wieder beginnt, zwingen die Serpentinen und der kilometerlange Stau auf der Anfahrt zum Hochplateau von Le Castellet zur Entschleunigung. Wer es sich leisten kann, landet deshalb mit dem Helikopter auf dem Privatflugplatz gleich neben dem FünfSterne-Hotel am Haupteingang zur Strecke. Am Donnerstag aber ist von VIPs noch nichts zu sehen, Schulklassen suchen bei mehr als 30 Grad Schatten auf den Tribünen und bejubeln einige Sportwagen bei Showrunden. Am Freitag dann wird erstmals nach 28 Jahren wieder ein offizielles Formel-1-Training auf dem Circuit Paul Ricard gefahren. Die 5,842 Kilometer je Runde sind für die Fahrer unbekanntes Terrain, Daten aus vergangenen Jahren liegen nicht vor.
Nach dem letzten Grand Prix in Le Castellet war bis 2008 noch MagnyCours Gastgeber für die Formel 1 in Frankreich – und erlebte in dieser Zeit gleich acht Siege Michael Schumachers. Dann wurde den Franzosen der Spaß zu teuer. Ein Kulturbruch: War doch – 1894 – zwischen Paris und Rouen das erste Autorennen der Geschichte ausgefahren worden. Und 1950, im Gründungsjahr der Formel 1, gehörte Frankreich mit einem Großen Preis in Reims zu den sieben Rennen der Saison. „Frankreich war immer Teil der Geschichte der Formel 1“, sagt der viermalige Weltmeister Alain Prost. „Auf jede erdenkliche Weise.“
Sechsmal hat Prost (s)ein Heimrennen gewonnen, viermal allein triumphierte er auf dem Circuit Paul Ricard. Damit ist der 63-Jährige dort Rekordgewinner. 2018 stellt Frankreich mit drei Piloten immerhin die größte Fraktion im Fahrerfeld. Neben HaasRoutinier Romain Grosjean (32 Jahre) lassen vor allem der 21 Jahre junge Estéban Ocon (Force India) und der 22-jährige Pierre Gasly (Toro Rosso) die heimischen PS-Fans auf eine erfolgreiche Zukunft hoffen.
65 000 Zuschauer sollen kommen
Noch allerdings wirkt das Interesse am Comeback der Formel 1 etwas schüchtern. Auf 65 000 Zuschauer hoffen die Gastgeber an jedem der drei Grand-Prix-Tage. 90 Prozent der Tickets seien verkauft, beteuert Rennchef Estrosi. Einnahmen, die dringend benötigt werden, um die hohen Kosten zu refinanzieren.
Bezahlt werden will übrigens auch ein gewisser Bernie Ecclestone. Über einen Treuhandfonds seiner Familie hat der frühere Formel-1-Chef schon vor Jahren den Circuit Paul Ricard gekauft, er machte ihn zur supermodernen Teststrecke. Dass ausgerechnet der aufs Altenteil abgeschobene Brite nun kräftig am neuesten Rennen im Kalender mitverdient, dürfte seinen Nachfolgern an der Formel-1-Spitze kaum gefallen.