Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Zeitzeugen des Grauens
Glauben, Leben, Sterben. Menschen im Dreißigjährigen Krieg (ARD, Mo., 22. 30 Uhr)
– Gelegentlich vermittelt das Fernsehen fundierte Bildung. Natürlich erst nach dem unverzichtbaren Krimi. Dabei hat Stefan Ludwig (Buch und Regie) mit seinem Dokudrama zweifellos mehr Blut und Tränen zu bieten als jeder TV-Thriller. Denn er erinnert an die verschiedenen Stationen jenes entsetzlichen Gemetzels, das über Jahrzehnte die Mitte Europas heimgesucht und verwüstet hat. Immer wenn ein Friedensschluss in greifbarer Nähe schien, schickte ein weiterer Herrscher seine Heere ins Rennen – es ging eben längst nicht mehr nur um Konfessionen, sondern um geopolitische Erfolge. Problemlos ziehen befragte Historiker Parallelen zu den aktuellen Brandherden im Nahen Osten.
Stefan Ludwig setzt im 400. Gedenkjahr nicht die großen Feldherren in Szene, sondern erzählt die Lebensgeschichten der Menschen aus dem Volk, die mit ihren privaten Aufzeichnungen zu wichtigen Zeitzeugen geworden sind: der Jesuitenprediger Drechsel, der Prager Kaufmann de Witte, die oberösterreichische evangelische Bäuerin Küzinger, die Eichstätter Nonne Klara, der Söldner Hagendorf. Sie sind die Helden der Spielszenen und werden von einer Stimme aus dem Off (gesprochen von der „Tatort“-Kommissarin Adele Neuhauser) befragt. Ein kluger Schachzug, um diese Menschen aus der Vergangenheit in unsere Welt zu holen.