Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Perfektes Wohnen im perfekten Garten
In der Wohnkultur gibt es einen Trend, der an den Effekt von Schönheitsoperationen erinnert. Bei letzteren sehen am Ende alle Nasen gleich aus, und alle irgendwie falsch.
Im Folgenden geht es um die Gartentrends vor den Häfler Haustüren. Um Gärten, die immer mehr einem Wohnzimmer ähneln. Nicht nur, weil sie immer aufgeräumter werden, sondern weil auch die Möbel in diesen Gärten an ein Wohnzimmer erinnern: Gartensessel statt Gartenstühle, Gartencouch statt Holzbank. Sieht es in Ihrer Siedlung auch so aus? Was früher eine Wiese war, gleich heute einem Teppich. Nur dass von den getrimmten Stummelhälmchen kein Staub gesaugt wird, sondern jedes Blatt, das vom Baum fällt; und damit auch alles Leben das sich auf diesem überpflegten Rasen noch behaupten konnte, bis zur letzten Ameise.
Neulich erzählte mir ein Handwerker von seiner täglichen Arbeit. „Die Leute spinnen“, sagte er. „Alles soll aus einem Guss sein.“Er meinte die Optik. Wer baut oder umbaut, verwechselt Haus, Hof und Garten zunehmend mit einer Frau, die vor dem Spiegel steht und sich für den Ball ihrer Träume schön macht. Da muss alles stimmig sein. Das Ergebnis wirkt wie ein Stück Disneyland, das sich in die reale Welt verlaufen hat – das passt nicht zusammen. Spiegelt die neue Perfektionierung des Wohnens den Wunsch, alles im Griff zu haben? Das Disparate wird vor die Grenzen des eigenen Grundstücks verbannt. Vielleicht erklärt das ja die Scheinharmonien hinter den überall wuchernden Steingitterwänden: Steinkugeln, aus denen Wasser quillt, abgebrochene griechische Säulen aus dem Gartencenter, geschwungene Kiesfelder, tonnenschweres Grillgerät.
Der neue Trend des OutdoorWohnens ist ein Ausstattungstrend. Kaum noch jemand rammt noch einen Stock in den Boden, um eine Tomatenpflanze festzubinden. Lieber sticht man Solarlampen in den Rasen, damit bei Nacht nicht die unkontrollierte Dunkelheit über den Garten hereinbricht. Da spielen Ängste hinein, über die man früher den Kopf geschüttelt hat.
Wir haben eine Uniformierung der Gartenverhältnisse durch einen Mangel an Mangel. Der Garten hat aufgehört, eine Zone des Gebastelten und Improvisierten zu sein. Die Leute haben Geld; was sie haben wollen, kaufen sie sich. Deshalb ersetzt ein Fertigprodukt den Pflanztisch, den der Opa noch selbst gebaut hat und den es so nur einmal gab. In die Tonne mit den Dachziegeln, die 20 Jahre lang den Rand fürs Blumenbeet abgaben – man bestellt sich was Professionelles bei Amazon. Ein Tipp: Überlegen Sie es sich gut, ob Sie ihren Garten wirklich umgestalten wollen. Vielleicht hat er jetzt viel mehr Charme als hinterher.