Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Dem Geheimnis des Klangs auf der Spur
Geigenbauer Martin Schleske berichtet von seinem Beruf – Alban Beikircher führt Instrument vor
FRIEDRICHSHAFEN - Mit Martin Schleske hat am Freitagabend in der Kirche St. Nikolaus in Friedrichshafen einer der weltweit bedeutendsten Geigenbauer der Gegenwart einen Vortrag mit Lesungen aus seinen Büchern gehalten. Begleitet wurde er vom Geiger Alban Beikircher, natürlich auf einer Schleske-Geige.
„Der Klang – vom unerhörten Sinn des Lebens“war der Titel der Konzertlesung und von Schleskes 2010 erschienenem ersten Buch. Er las aber auch aus seinem sechs Jahre später erschienenen zweiten Buch „Herztöne – Lauschen auf den Klang des Lebens“und vor allem sprach er viel frei. Gleich zu Beginn erzählte er, wie es zu seiner engen Verbindung mit Alban Beikircher gekommen war. Als er seine eigene Werkstatt eröffnet habe, sei dieser zu ihm gekommen und habe ihm die Geige eines alten Meisters mitgebracht. Der Klang dieses Instruments habe ihn völlig umgeworfen.
Obwohl er nicht nur Geigenbaumeister, sondern auch noch DiplomPhysikingenieur ist, hätte nach seinem Wissen so etwas gar nicht möglich sein dürfen. So habe für ihn ein ganz neuer Lernprozess begonnen, den Beikircher mit zwei weiteren Geigen alter Meister später noch erweiterte. Der Weg, die Geheimnisse dieser Geigen zu entschlüsseln, sei lang gewesen. Danach aber habe für ihn noch ein ganz neuer Weg begonnen: Er habe seinen eigenen Geigenklang entwickelt. Das gelang ihm schließlich so gut, dass Beikircher seine Meistergeige verkaufte und heute auf einer Schleske spielt.
Bei dieser Geschichte ging es dem Geigenbauer aber nicht darum, darzustellen, wie toll seine Geigen sind, sondern um den Weg, den er gehen musste, um auf diese Stufe zu gelangen. Auch, dass sein Weg noch lange nicht beendet ist, stellte er klar. Der bekannte italienische Geigenbauer Stradivari habe, bis er über 90 Jahre alt war, immer weiter variiert und Neues versucht. Das sei auch Schleskes Ziel. Je nachdem, wie alt er werde. Das wichtigste Thema für ihn war an diesem Abend aber das perfekte Holz für den Geigenbau. Wie schwer das zu finden sei, sei daran zu erkennen, dass es einen Ort in den Dolomiten gibt, zu dem Geigenbauer aus der ganzen Welt fahren, um sich dort Holz zu besorgen. Ein Stück so eines perfekten Holzes hatte Schleske dabei und führte es vor.
Der für den Laien überraschende Effekt: Hält man das Holz an der falschen Stelle, klingt es beim Draufklopfen tonlos und dumpf. Versucht man den Klang mit kräftigerem Schlagen zu verbessern, schlägt man sich nur irgendwann die Knöchel blutig. Hält man das Holz dagegen an einer anderen Stelle, ergibt sich ein klarer Klang. Schleske zog eine Parallele zum Leben: Wenn es nicht richtig laufe, meinen viele, sie müssten mehr Kraft investieren, bis sie irgendwann zusammenbrechen. Dabei müsste eigentlich nur die Aufhängung des eigenen Lebens geändert werden.
Wie eine Schleske-Geige denn nun klingt, zeigte Alban Beikircher den Zuschauern. Siebenmal spielte er während des Vortrags auf, das letzte Mal im Duett mit Schleske. Das Duo ist in dieser Form seit sieben Jahren immer wieder unterwegs. Dabei sind die Vorträge jedes Mal anders. In Friedrichshafen hatte Schleske zum Beispiel zum ersten Mal das Holz dabei.
Während seines gesamten Vortrags hörten die Gäste Schleske sehr aufmerksam zu, besonders, wenn er frei sprach, zog er sie mit seiner Leidenschaft in seinen Bann. Viele der Zuschauer ließen sich von ihm nicht nur die am Ausgang verkauften Bücher signieren, sondern drückten ihm noch ihren Dank für seine Rede aus. Es war nun für einige Zeit die letzte Gelegenheit dafür, denn nachdem Schleske und Beikircher in den vergangenen Jahren viele solcher Veranstaltungen bestritten haben, soll erst einmal wieder Ruhe einkehren, damit die Werkstatt wieder in den Vordergrund rücken kann.