Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Bleibt Gomez drin – und was ist mit Müller?
Auch nach dem 2:1 der DFB-Elf gegen Schweden bleiben einige Fragen offen
TUTINKI - Zehn Minuten erst waren gespielt in Sotschi, als eine Statistik eingeblendet wurde. Deutschland 122 Pässe, Schweden sechs. Absurd, aber wahr. Mehr Überlegenheit geht nicht. „Zwei-, drei-null hätten wir führen müssen“, sagte Timo Werner hinterher. Es war ein forscher, trotziger, taktisch kluger, weil variabler Beginn der DFB-Elf gewesen gegen Schweden, die angekündigte Reaktion. Doch dann verfiel die Nationalmannschaft wieder in den Modus des 0:1 gegen Mexiko.
Ein Fehlpass von Antonio Rüdiger, eine vom Schiedsrichter nicht gegebene Notbremse von Jérôme Boateng reichten, und wie bei der Auftaktpleite wurden Bälle verdaddelt, krasse Fehlpässe gespielt – bis es 0:1 stand, Köpfe und Körper durchhingen, Deutschland ausgeschieden war. Für knapp 20 Minuten Spielzeit. Bundestrainer Joachim Löw wäre alles um die Ohren geflogen. Seine taktischen und personellen Umstellungen. Seine Courage, nach dieser Woche der größtmöglichen Aufstellungsdebatten, die Weltmeister und zuvor unantastbaren Mesut Özil und Sami Khedira aus der Startelf zu nehmen. Risiko. Alles auf eine Karte, auf den Umschwung, die Turnierwende. Alles gut gegangen. Weil Toni Kroos in der 95. Minute eiskalt diesen wahnsinnigen Freistoß zum 2:1 im Tor versenkte.
Am Sonntag war Ausschlafen und Auslaufen angesetzt im DFB-Quartier in Watutinki, raus mit dem Laktat und dem Adrenalin. Gegen Südkorea reicht am Mittwoch (16 Uhr/ZDF und Sky) ein Sieg mit zwei Toren Unterschied fürs Achtelfinale, ein Sieg mit einem Tor Unterschied wahrscheinlich. Wie stellt Löw im dritten Gruppenspiel in Kasan auf?
Sind Özil und Khedira nun raus?
Löw brachte Sebastian Rudy als Stabilisator für Khedira und Marco Reus für Özil, Letzterer hat seine Chance als Torschütze und Aktivposten genutzt. Doch das heißt nichts fürs Südkorea-Spiel. „Die Karten werden jetzt wieder neu gemischt“, sagte Teammanager Oliver Bierhoff, der seinen Jogi kennt. Schließlich hatte Löw auf der Abschlusspressekonferenz vor dem Schweden-Spiel über seine - dann herausgenommenen Führungsspieler - gesagt: „Natürlich sind auch wir dem Leistungsgedanken verpflichtet. Aber nur wegen eines Spiels geht das Vertrauen in diese Spieler nicht verloren. Sie spielen teilweise seit vier Jahren und mehr auf hohem Niveau.“Tendenz: Reus bleibt drin, Özil kehrt zurück. Für Julian Draxler.
Wer soll neben Kroos spielen?
Ilkay Gündogan ersetzte den mit Nasenbeinbruch ausgeschiedenen Sebastian Rudy. Nach Akklimatisierungsproblemen machte er seine Sache ordentlich bis abgeklärt.
Dennoch gab es wieder Schreckmomente à la Mexiko. Bei Ballverlusten war die DFB-Elf teils wieder sehr offen, weil die Außenverteidiger hoch standen, weil es Innenverteidigung und Mittelfeld an Tempo fehlt. Das Umschaltverhalten jedoch funktionierte besser, weil mehr Spieler zurücksprinteten. Tipp: Gündogan beginnt anstelle von Rudy, dessen Mitwirkungsmöglichkeiten aufgrund einer gebrochenen Nase ohnehin fraglich ist. Er muss sich einer „leichten OP“unterziehen, wie Teammanager Oliver Bierhoff sagte.
Braucht Müller eine Pause?
Zwei WM-Spiele, kein Tor. Und vor allem: Kein Glück. Der Bayern-Profi kommt nicht auf Touren in Russland, man wartet auf seinen Moment. Das wird schon, so der Glaube im Trainerstab. Aber wann? Wie lange kann man warten. Julian Brandt (22), bisher bei zwei Jokereinsätzen mit lediglich acht Spielminuten plus Nachspielzeit auf der Uhr, drängt in die Startelf. „Das hätte er sich verdient“, so ARD-Experte Thomas Hitzlsperger. Weil er frech und forsch aufspielte, mit einem saftigen Linksschuss den Pfosten traf – zum zweiten Mal im Turnier. Dennoch: Müller bleibt drin. Damit gegen Südkorea sein Durchbruch gelingt. Der Leverkusener Brandt ist der ideale Joker für diese Mannschaft.
Muss Gomez nun drinbleiben?
Der sehr agile und bemühte Timo Werner agierte nach der Einwechslung des VfB-Stürmers Mario Gomez, der den Mittelstürmer-Prellbock gab, als Linksaußen noch überzeugender. Werner war in der Entstehung beider Tore maßgebend. Eine gute Variante. Doch auch hier gilt: Als Joker und Mitreißer ist der Unlinger Gomez wertvoller.
Wer ersetzt Jérôme Boateng?
Der Münchner, wie gegen Mexiko der bessere Innenverteidiger, musste nach einem Foul an Berg das Feld mit Gelb-Rot verlassen. Boateng dürfte der gegen Schweden wegen eines verrenkten Halswirbels nicht eingesetzte Bayernkollege Mats Hummels ersetzen. „Es sollte bis Mittwoch so gut werden, dass ich keine Probleme habe“, sagte Hummels am Samstag. Rüdiger dürfte drinbleiben. Die Alternative wäre Niklas Süle.
Für alle Aufstellungsfragen gilt: „Wir haben einen breiten Kader mit vielen guten Spielern“, sagte Bierhoff, „das wird uns helfen im Turnier.“18 von 23 Spielern kamen schon zum Einsatz.