Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Südkorea ist mehr als Gangnam Style

Seng-Rak Do verfolgt das heutige Spiel gegen Deutschlan­d von Friedrichs­hafen aus

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Alle Schweden sind blond und lieben Abba. Die Mexikaner essen Bohnen und tragen riesige Strohhüte. Wer an die bisherigen Gegner der deutschen Nationalel­f dachte, konnte sich an ordentlich­e Klischeebi­lder halten. Aber mit Südkorea, dem heutigen Gegner, ist die Sache anders. Vor allem löst das Wort Südkorea Gedanken an Nordkorea aus: Der Raketenman­n aus dem Land des Steinzeitk­ommunismus trifft Donald Trump. Aber der Süden? Da ist bei uns Deutschen wenig mehr hängen geblieben als ein Popsong: „Gangnam Style“von Psy.

„Deutsche Kulturbana­usen“, sagt Seng-Rak Do und lacht. Man kann es ihm nicht übel nehmen, denn er kam schon vor 40 Jahren als Halbwüchsi­ger nach Deutschlan­d und kennt sich bestens aus. Ein Klischee über Deutsche gefällig? „Die Deutschen sind arbeitsam“sagt Do. Die Südkoreane­r seien es allerdings noch mehr. Außerdem hielten sich Deutschen an Verbote. „An der roten Ampel stehen die Deutschen garantiert auch nachts um drei Uhr“, sagt Do. „In Südkorea schaut man sich um, ob jemand kommt und fährt weiter.“

Seit 15 Jahren bei ZF

Do arbeitet seit 15 Jahren bei ZF im Vertrieb, die letzten knapp drei Jahre davon in Friedrichs­hafen. Mit seinen beiden Kindern und seiner Frau kann er sich das heutige Spiel leider nicht ansehen. Seine ganze Familie lebt immer noch in Hamburg, wo er selbst aufgewachs­en ist. „Mein Vater hat als Gastarbeit­er in Hamburg gearbeitet. Unsere Mutter ist gestorben, deshalb mussten ich mit meinen Geschwiste­rn dann nach Deutschlan­d.“Ein Land, von dem er erst keine richtige Vorstellun­g hatte, in dem er studierte und das ihm im Lauf der Jahre zur zweiten Natur wurde. Seinen Namen hat Seng-Rak Do der hiesigen Schreibwei­se angepasst. In Südkorea wurde er heute Do SengRak heißen; der Nachname wird in asiatische­n Ländern vor dem Vornamen geschriebe­n.

Welcher Mannschaft drückt er heute die Daumen? Da kämpfen zwei Seelen in seiner Brust. „Es ist ein Konflikt, aber ich feuere trotzdem die Koreaner an. Weil sie die schlechter­en Chancen habe“, sagt er. „Südkorea wir höchstwahr­scheinlich verlieren. Sie könnten höchstens ein Unentschie­den rausholen. Aber eigentlich haben sie keine Chance.“

Do hat selbst aktiv Fußball gespielt. Südkorea sei keine fanatische Fußballnat­ion, aber trotzdem stünde Fußball in der Beliebthei­t gleich hinter dem Volkssport Nummer eins: Baseball. Das liegt wohl auch daran, dass die Fußball-WM 2002 in Seoul stattfand. „Südkorea hat diese WM sehr erfolgreic­h hinter sich gebracht“, erinnert sich Do. „Im Achtelfina­le gewann Südkorea 2:1 gegen Italien. Nordkorea seinerseit­s hat Italien bereits bei der Fußball-WM 1966 geschlagen, mit 1:0. „Damit hat Korea geschafft, was Deutschlan­d noch nie gelungen ist: Italien bei einer Fußballwel­tmeistersc­haft zu besiegen“, ANZEIGE sagt Do. Da können die Italiener froh sein, dass sie die Teilnahme an dieser WM verbockt haben.

Südkorea kann mit Fußballer-Exporten glänzen: Koo Ja-cheol spielt für Augsburg, Sin Heungmin ist bei Tottenham unter Vertrag und ChaBum Kun schoss, bis zum Ende seiner Laufbahn 1989, für verschiede­nen Bundesliga­vereine 52 Tore. Do könnte weitere Spieler aufzählen, aber er lässt es gut sein.

Dos Platz in beiden Kulturen ist zugleich ein Platz zwischen ihnen. „Wenn Koreaner über Deutschlan­d schimpfen, verteidige ich Deutschlan­d. Aber wenn Deutsche über Korea schimpfen, verteidige ich Korea.“Nicht so leicht in eine der beiden Gruppen gesteckt werden zu können, das gebe ihm Freiheit, sagt er.

Zwischen Deutschlan­d und Südkorea gibt es historisch­e Bande: Deutschlan­d hat das Land nach dem Koreakrieg finanziell unterstütz­t. Auch durch das Trauma der nationalen Teilung ist Deutschlan­d mit Südkorea verbunden. Eine Wiedervere­inigung mit Nordkorea hält Seng-Rak Do für sehr schwierig. Nicht nur wegen der Unberechen­barkeit von Machthaber Kim Jong-un und dem Nachbarn China, den er nach wie vor auf Nordkoreas Seite sieht – auch wegen der ungleichen Lebensverh­ältnisse. „Wenn Nordkorea sagen würde: ,Wir geben auf, übernehmt uns’, wäre eine schnelle Vereinigun­g eine Katastroph­e. Der Lebensstan­dard zwischen Süd-und Nordkorea ist 100:1. Es würden sofort alle aus dem Norden nach Süden flüchten.“

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FOTO: HARALD RUPPERT In Südkorea kommt Fußball in der Beliebthei­t gleich nach Baseball, erklärt Seng-Rak Do. Früher war er selbst aktiver Fußballer.
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J. Lindenmüll­er

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