Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Europas Versagen
Wenn Donald Trump an der Grenze zwischen den USA und Mexiko Familien trennen lässt, dann ist hierzulande der Aufschrei groß. Dann wird lamentiert ob der herzlosen Politik des US-Präsidenten. Doch wie verhalten ist dagegen die Empörung, wenn direkt vor der europäischen Küste Hunderte gerettete Flüchtlinge tagelang auf engstem Raum ausharren müssen. Männer, Frauen und kleine Kinder, denen es gelungen ist, den katastrophalen Zuständen in Libyen zu entkommen. Es ist beschämend, wie lange es gedauert hat, bis das Rettungsschiff „Lifeline“in einen europäischen Hafen einlaufen durfte. Und wenn Innenminister Horst Seehofer „keine Handlungsnotwendigkeit für Deutschland“sieht und von einem „Shuttle“spricht, klingt dies geradezu zynisch.
Aber das Versagen hat vor allem eine europäische Dimension: Seit Jahren wird in Brüssel über die Sicherung der EU-Außengrenzen und die Verteilung von Flüchtlingen gesprochen – ohne zu rechtsstaatlichen und humanitären Lösungen zu kommen. Durchgesetzt hat sich das Sankt-Florians-Prinzip – die Rechtspopulisten freut’s.
Wenn Europa sein menschliches Gesicht wahren will, muss die Politik des maximalen Eigennutzes ein Ende haben. Denn sonst verkommt die Europäische Union zu einer Gemeinschaft ohne Wert.
c.kling@schwaebische.de