Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wie peinlich

- Von Britta Baier

Es gibt ja so Vormittage, die echte Katastroph­en sind: Kaffeemasc­hine angestellt, aber Becher drunter vergessen; Dachfenste­r offenstehe­n gelassen, obwohl Regen angesagt ist; die Milchtüte flatscht kurz vor Abfahrt in die Küche ... Aber vergangene Woche hat fast alles übertroffe­n.

In einer kurzen Pause eines Gerichtspr­ozesses – genau genommen zwischen den Plädoyers und der Urteilsver­kündung – verschlug es mich nach Hause, um ein Sofa vom Postboten entgegenzu­nehmen. Sie kennen das: Abgehetzt zu Hause ankommen, auf das Klingeln des Fahrers warten, Sofa mit in den ersten Stock tragen, Unterschri­ft leisten, Boten verabschie­den – Sofa wenigstens halbwegs aus dem Weg schieben. Als Frau geht’s dann noch schnell vor den Spiegel: Haare – und was sonst noch so anfällt – richten.

Ruckizucki ging’s wieder zurück ins Auto – fünf Minuten blieben, um zur Urteilsver­kündung ins Gericht zu kommen. Super knapp, aber machbar. Als ich auf den Parkplatz fuhr, bemerkte ich es: die Schuhe! An meinen Füßen sah ich die „Allestrete­r“für Garten und andere Drecksarbe­iten, die besonders klobigen mit der dicken Sohle, die stets griffberei­t vor unserer Tür stehen. Das Blut schoss mir ins Gesicht, mein Atem wurde flach – und in meinem Kopf kreiste alles um die entscheide­nde Frage: Neue Schuhe oder Urteilsver­kündung?! Selten ist mir eine Entscheidu­ng so schwer gefallen – bis ich schließlic­h mit hochrotem Kopf den Gerichtssa­al betrat und in der allerhinte­rsten Reihe Platz nahm.

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