Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wie peinlich
Es gibt ja so Vormittage, die echte Katastrophen sind: Kaffeemaschine angestellt, aber Becher drunter vergessen; Dachfenster offenstehen gelassen, obwohl Regen angesagt ist; die Milchtüte flatscht kurz vor Abfahrt in die Küche ... Aber vergangene Woche hat fast alles übertroffen.
In einer kurzen Pause eines Gerichtsprozesses – genau genommen zwischen den Plädoyers und der Urteilsverkündung – verschlug es mich nach Hause, um ein Sofa vom Postboten entgegenzunehmen. Sie kennen das: Abgehetzt zu Hause ankommen, auf das Klingeln des Fahrers warten, Sofa mit in den ersten Stock tragen, Unterschrift leisten, Boten verabschieden – Sofa wenigstens halbwegs aus dem Weg schieben. Als Frau geht’s dann noch schnell vor den Spiegel: Haare – und was sonst noch so anfällt – richten.
Ruckizucki ging’s wieder zurück ins Auto – fünf Minuten blieben, um zur Urteilsverkündung ins Gericht zu kommen. Super knapp, aber machbar. Als ich auf den Parkplatz fuhr, bemerkte ich es: die Schuhe! An meinen Füßen sah ich die „Allestreter“für Garten und andere Drecksarbeiten, die besonders klobigen mit der dicken Sohle, die stets griffbereit vor unserer Tür stehen. Das Blut schoss mir ins Gesicht, mein Atem wurde flach – und in meinem Kopf kreiste alles um die entscheidende Frage: Neue Schuhe oder Urteilsverkündung?! Selten ist mir eine Entscheidung so schwer gefallen – bis ich schließlich mit hochrotem Kopf den Gerichtssaal betrat und in der allerhintersten Reihe Platz nahm.