Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Bei ZF heißt der Paketbote Captain Future
Elektrisch, vernetzt und autonom: Zulieferer schickt „Innovation-Van“auf die letzte Meile
FRIEDRICHSHAFEN - Ein Hauch von Captain Future im ZF-Werk 2: Ein Lieferwagen fährt vor, kein Fahrer am Steuer, dafür ein Paketbote auf dem Beifahrersitz, auf dem Kopf eine übergroße Brille. Während er das Päckchen zustellt, sucht der Van alleine einen Parkplatz. Zukunftsmusik? Nein, der Vorschlag von ZF für das größte Problem der Logistikbranche, die letzte Meile.
Warum die letzte Meile die schwierigste ist, erklärt Gerhard Gumpoltsberger. „Eigentlich soll der Bote zustellen, nicht fahren.“Oft ist der Kunde nicht daheim, wünscht die Lieferung zu einem späteren Zeitpunkt oder an einem anderen Ort, sagt der Ingenieur, der bei ZF für Innovationsprojekte verantwortlich ist. Es gebe Touren mit einer Fehlerquote von 50 Prozent und mehr. Für die Logistikunternehmen heißt das vor allem: Zusatzkosten.
Schadstofffrei und autonom
ZF schickt als Gegenmaßnahme seinen „Innovation-Van“ins Rennen. Drei Punkte zeichnen ihn laut Gumpoltsberger aus. Er fährt elektrisch, bringt also keine zusätzlichen Schadstoffe in die Innenstadt. Er ist voll autonom, der Paketbote kann also während der Fahrt Kunden kontaktieren oder das Computersystem pflegen. Schließlich wird der „InnovationVan“von einem zentralen Rechner gesteuert. Das heißt, dass aus den geladenen Paketen automatisch die Route für die nächste Tour berechnet wird. Der Bote ist über eine VirtualReality-Brille mit dem System verbunden. Er hat alle nötigen Infos zur nächsten Zulieferung vor Augen, kann durch einfache Befehle über die Brille den Kofferraum oder eine Paketbox öffnen und zur Not auch den Van steuern. Meist ist der Lieferwagen aber autonom unterwegs, erkennt rote Ampeln und Fußgänger und weicht Hindernissen selbstständig aus, dank des Zentralrechners ZF Pro AI und zahlreicher Sensoren rund um den Van. Er kann sogar ganz allein einen Parkplatz suchen, wenn der Bote im Parkverbot aussteigt, oder ihm folgen, wenn er mal zwei Pakte in einem Rutsch ausliefert.
Während anderswo über Drohnenzustellung nachgedacht wird, setzt ZF weiter auf Fahrzeuge. Gumpoltsberger: „Wie wollen den Paketboten nicht eliminieren, aber wir wollen ihm das Leben einfacher machen.“Wie groß der Markt für solche Projekte ist, zeigen die nackten Zahlen. Schätzungsweise 3,3 Milliarden Päckchen und Pakete wurden allein in Deutschland im Jahr 2017 zugestellt. Tendenz: steigend, Stichwort: Onlinehandel.
Es gebe erste Paketdienste, die mit autonom fahrenden Vans experimentierten, sagt Gumpoltsberger, der davon ausgeht, innerhalb der nächsten zwei Jahre entsprechende Fahrzeuge auf der Straße zu sehen, wenn auch nicht unbedingt in Deutschland.
Mit dem Konzept des „Innovation-Van“könnte das Thema auch für den Zulieferer aus Friedrichshafen ein spannendes Geschäftsfeld werden. Etwa neun Monate hat ein Kernteam von 25 Entwicklern daran gearbeitet, unterstützt von 125 weiteren Kollegen. Was das Projekt gekostet hat, bleibt geheim. Gerhard Gumpoltsberger verrät aber, dass in dem Fahrzeug etwa ein Kilometer zusätzliche Kabel verlegt worden sind.