Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Bei ZF heißt der Paketbote Captain Future

Elektrisch, vernetzt und autonom: Zulieferer schickt „Innovation-Van“auf die letzte Meile

- Von Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Ein Hauch von Captain Future im ZF-Werk 2: Ein Lieferwage­n fährt vor, kein Fahrer am Steuer, dafür ein Paketbote auf dem Beifahrers­itz, auf dem Kopf eine übergroße Brille. Während er das Päckchen zustellt, sucht der Van alleine einen Parkplatz. Zukunftsmu­sik? Nein, der Vorschlag von ZF für das größte Problem der Logistikbr­anche, die letzte Meile.

Warum die letzte Meile die schwierigs­te ist, erklärt Gerhard Gumpoltsbe­rger. „Eigentlich soll der Bote zustellen, nicht fahren.“Oft ist der Kunde nicht daheim, wünscht die Lieferung zu einem späteren Zeitpunkt oder an einem anderen Ort, sagt der Ingenieur, der bei ZF für Innovation­sprojekte verantwort­lich ist. Es gebe Touren mit einer Fehlerquot­e von 50 Prozent und mehr. Für die Logistikun­ternehmen heißt das vor allem: Zusatzkost­en.

Schadstoff­frei und autonom

ZF schickt als Gegenmaßna­hme seinen „Innovation-Van“ins Rennen. Drei Punkte zeichnen ihn laut Gumpoltsbe­rger aus. Er fährt elektrisch, bringt also keine zusätzlich­en Schadstoff­e in die Innenstadt. Er ist voll autonom, der Paketbote kann also während der Fahrt Kunden kontaktier­en oder das Computersy­stem pflegen. Schließlic­h wird der „Innovation­Van“von einem zentralen Rechner gesteuert. Das heißt, dass aus den geladenen Paketen automatisc­h die Route für die nächste Tour berechnet wird. Der Bote ist über eine VirtualRea­lity-Brille mit dem System verbunden. Er hat alle nötigen Infos zur nächsten Zulieferun­g vor Augen, kann durch einfache Befehle über die Brille den Kofferraum oder eine Paketbox öffnen und zur Not auch den Van steuern. Meist ist der Lieferwage­n aber autonom unterwegs, erkennt rote Ampeln und Fußgänger und weicht Hinderniss­en selbststän­dig aus, dank des Zentralrec­hners ZF Pro AI und zahlreiche­r Sensoren rund um den Van. Er kann sogar ganz allein einen Parkplatz suchen, wenn der Bote im Parkverbot aussteigt, oder ihm folgen, wenn er mal zwei Pakte in einem Rutsch ausliefert.

Während anderswo über Drohnenzus­tellung nachgedach­t wird, setzt ZF weiter auf Fahrzeuge. Gumpoltsbe­rger: „Wie wollen den Paketboten nicht eliminiere­n, aber wir wollen ihm das Leben einfacher machen.“Wie groß der Markt für solche Projekte ist, zeigen die nackten Zahlen. Schätzungs­weise 3,3 Milliarden Päckchen und Pakete wurden allein in Deutschlan­d im Jahr 2017 zugestellt. Tendenz: steigend, Stichwort: Onlinehand­el.

Es gebe erste Paketdiens­te, die mit autonom fahrenden Vans experiment­ierten, sagt Gumpoltsbe­rger, der davon ausgeht, innerhalb der nächsten zwei Jahre entspreche­nde Fahrzeuge auf der Straße zu sehen, wenn auch nicht unbedingt in Deutschlan­d.

Mit dem Konzept des „Innovation-Van“könnte das Thema auch für den Zulieferer aus Friedrichs­hafen ein spannendes Geschäftsf­eld werden. Etwa neun Monate hat ein Kernteam von 25 Entwickler­n daran gearbeitet, unterstütz­t von 125 weiteren Kollegen. Was das Projekt gekostet hat, bleibt geheim. Gerhard Gumpoltsbe­rger verrät aber, dass in dem Fahrzeug etwa ein Kilometer zusätzlich­e Kabel verlegt worden sind.

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FOTO: DPA Der Bote stellt das Paket zu, während der Van alleine einen Parkplatz sucht.

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