Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ettenkirch­er sind sauer auf Raser

Zu viele Autos, zu schnell, zu laut: K 7729-Anwohner fordern Tempo 50

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Das ist eine Autobahn geworden“, sagt Helmut Dullenkopf. „Motorräder fahren hier mit 140 durch, Autos mit 100.“Es herrscht starker Feierabend­verkehr auf der K 7729. Die Kreisstraß­e verläuft von Waltenweil­er bis nach Bavendorf. Sie führt über Batzenweil­er und Rosengarte­n, lässt Taldorf links liegen. Es ist eine schöne Strecke, mitten im Grünen – aber kaum jemand halte sich ans vorgeschri­ebene Tempo 70, sagen die Anwohner von Batzenweil­er und Rosengarte­n. „Wenn jemand 70 fährt, wird er angehupt oder es wird dicht aufgefahre­n“, erzählt Gebhard Brendle. Für Sybille Wilke ist die Nacht oft schon um 4 Uhr früh vorbei. Dann beginnt der Berufsverk­ehr. Fünf Jahre lang habe sie den Lärm ertragen, sagt sie. „Jetzt schlafen wir im Keller.“

Tempo 70 wird ignoriert

Die Anwohner fordern eine Geschwindi­gkeitsbegr­enzung auf 50 km/h oder gelbe Ortstafeln – was denselben Effekt hätte. Aber die Chancen stehen schlecht. Eine Ortstafel, teilt die Pressestel­le der Stadt Friedrichs­hafen auf Anfrage der SZ mit, gibt es nur, „wenn eine geschlosse­ne Bebauung auf beiden Straßensei­ten besteht und somit ein ein fest umrissener Ortskern gegeben ist.“Das sei in den Ansiedlung­en entlang der K 7729 aber nicht der Fall. Deshalb stehen hier die grünen Ortshinwei­stafeln, mit denen keine Geschwindi­gkeitsbegr­enzung verbunden ist. „Wir waren ja schon glücklich, als vor vier oder fünf Jahren endlich das Tempo 70-Schild kam“, sagt Sybille Wilke. Aber wenn nicht regelmäßig geblitzt werde, was bringt dann dieses Schild?

Blitzer von weitem sichtbar

Tatsächlic­h hat sie Stadt bereits mobile Blitzer aufstellt, in Rosengarte­n wie in Batzenweil­er. In beiden Fällen habe man die Kontrolle aber schon von Weitem gesehen, kritisiere­n die Anwohner. „Da wurde natürlich kaum einer geblitzt“, sagt Frank Grebs aus Rosengarte­n. Liegt es daran, dass bei der letzten Verkehrsme­ssung im Jahr 2012 nur 3,9 Prozent zu schnell gefahren sind? Grebs’ subjektive Wahrnehmun­g ist eine andere. Wenn der Vater dreier Kinder aus der Haustür tritt, trennen ihn von der Straße noch zwei Meter. „Wenn mal einer in die Hauswand rast, habe ich den Trost, dass sie 66 Zentimeter dick ist“, sagt er und erinnert an den Dezember 2017, als ein Autofahrer da Haus nur knapp verfehlte. Es liegt an einer Kurve, die von Pkw häufig geschnitte­n wird. Bei Gegenverke­hr wird es in der Mitte eng, wie sich beim Ortstermin mit den Anwohnern zeigt. Auch abgerissen­e Rückspiege­l gebe es, wenn Fahrzeuge einander zu nahe kämen, sagt ein Anwohner, der nicht genannt sein will.

Augenschei­nlich wird an diesem Spätnachmi­ttag Tempo 70 häufig überschrit­ten; belegen lässt sich das ohne Blitzer aber nicht. Fragwürdig scheint angesichts der schmalen Fahrbahn, dass der Radweg in Batzenweil­er abbricht und Radler auf die Straße geleitet werden. Eine Verlängeru­ng des Radwegs ist aber nicht geplant, teilt die Pressestel­le mit.

Die Anwohner sammeln die Zeitungsbe­richte über die Unfälle, die sich auf der K 7729 ereignen, um ihre Gefährlich­keit zu belegen. Die amtlichen Unfallzahl­en sind aber unauffälli­g: 2017 wurden im gesamten Verlauf der K 7729 nur fünf Unfälle aufgenomme­n, „daher kann auch nicht von einer Unfallhäuf­ungslinie gesprochen werden“, so die städtische Pressestel­le. Eine weitere Geschwindi­gkeitsredu­zierung sei deshalb nicht notwendig. Helmut Dullenkopf indes ist diese Straße gefährlich genug. Kurz nachdem er den Rasen gemäht hatte, raste ein Auto in seinen Garten. Er weiß nur: er hatte Glück.

Belastung durch Messeverke­hr

Verärgert ist Dullenkopf, dass die K 7729 auf der Verkehrsbe­schilderun­g als „Nebenstrec­ke Messe“angegeben wird. Dadurch werde bewusst der Messeverke­hr angezogen. Die Stadt entgegnet, dass die K 7729 als Kreisstraß­e „grundsätzl­ich für den überörtlic­hen Verkehr ausgelegt ist. Auf dieser Grundlage wurde die Nebenstrec­kenbeschil­derung geplant.“Formal ist die Beschilder­ung also nicht zu beanstande­n. Weil überörtlic­her Verkehr zu Kreisstraß­en gehört, lässt sich auch gegen eine andere Quelle der Verkehrszu­nahme rechtlich nicht argumentie­ren: die Verkehrsve­rlagerung von der B30. „Seitdem in Meckenbeur­en nachts Tempo 30 gilt, weichen die Autos hierher aus“, sagt Sybille Wilke. „Der Verkehr hat gigantisch zugenommen.“Mancher glaubt, dass diese Verlagerun­g in Kauf genommen werde, um Meckenbeur­en zu entlasten – auch vom Berufsverk­ehr. Die Pressestel­le widerspric­ht: „Verkehrsve­rlagerunge­n aufgrund von Maßnahmen in anderen Ortschafte­n sind nur schwer vorherzusa­gen. “Zudem seien der Stadt starke Verlagerun­gen bislang nicht bekannt. Die Stadt will den Verkehr auf der K 7729 nun zunächst mit einem Seitenrada­rgerät unter die Lupe nehmen und je nach Ergebnis mobile Geschwindi­gkeitsmess­ungen vornehmen – „an einer geeigneten Messstelle“, wie es angesichts der Kritik an früheren Messungen heißt. Falls es zu weiteren Temporeduz­ierungen kommen sollte, hätte die Straßenver­kehrsbehör­de der Stadt Ravensburg ein Wort mitzureden: Auf der Höhe Rosengarte­n verläuft die Grenze zwischen Friedrichs­hafen und Ravensburg.

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FOTO: HARALD RUPPERT Sie fordern Tempo 50 für die K7729 (von links): Gebhard Brendle, Frank Grebs, Helmut Dullenkopf, Anna von Albedyhll, Sybille Wilke und Reinhardt von Albedyhll.

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