Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Nur noch halb so viele illegale Einreisen wie 2016

Das zeigt die Bilanz der Schleierfa­hnder – trotzdem bekommt die neue Grenzpoliz­ei Zuwachs

- Von Julia Baumann

LINDAU - Es ist ruhiger geworden an der Grenze zu Österreich. Zumindest, was die unerlaubte Einreise von Flüchtling­en betrifft: Im vergangene­n Jahr kontrollie­rten die Lindauer Schleierfa­hnder nur noch gut 180 Menschen, die illegal nach Deutschlan­d wollten, wie Alexander Paff im Pressegesp­räch am Freitag erzählt. Im Jahr zuvor waren es noch mehr als doppelt so viele.

Trotzdem heißen die Schleierfa­hnder seit Montag nicht mehr Schleierfa­hnder, sondern Grenzpoliz­ei. Bis 2023 will Ministerpr­äsident Markus Söder die Zahl der Beamten in den 16 Dienststel­len an der Grenze verdoppeln. Ob dafür jetzt der richtige Zeitpunkt ist, dazu sagt Pfaff, ehemaliger Leiter der Fahnder und nun Leiter der Lindauer Grenzpoliz­eiinspekti­on, nichts. „Aber der Grundgedan­ke ist positiv“, sagt er. „Der Effekt ist mehr Technik und mehr Personal.“

Beides können die Polizisten brauchen, denn an der Grenze gibt es auch neben der Kontrolle illegal Eingereist­er jede Menge zu tun. So gibt es auch Menschen, die zwar legal ins Land kommen, dann aber länger bleiben, als sie dürften – oft mit gefälschte­n Papieren.

„Missbrauch des Touristenp­rivilegs“nennt Pfaff dieses Phänomen. Dabei kommen Menschen aus NichtEU-Ländern zunächst mit einem Dreimonats-Visum legal ins Land. „Sie wollen dann zum Beispiel als Erntehelfe­r arbeiten und überziehen ihr Visum“, erklärt Pfaff. Um dauerhaft in Deutschlan­d bleiben zu können, besorgten sie sich gefälschte Dokumente aus einem EU-Land.

Dealer kaufen oft Samen oder Setzlinge

Um solche Fälschunge­n zu erkennen, haben Pfaff und seine Kollegen ganz eigenen Methoden: So hat zum Beispiel jeder Führersche­in eines Landes ein ganz eigenes Klangbild. Erfahrene Polizisten müssen ihn nur aus eine bestimmten Höhe auf den Tisch fallen lassen – und erkennen sofort, ob es sich um eine Fälschung handelt.

Mehr als 500 Rauschgift­delikte haben die Fahnder im vergangene­n Jahr aufgedeckt - etwa so viele wie 2016. Relativ neu ist laut Polizei dabei der Trend, dass Dealer nicht die fertigen Drogen, sondern Samen oder Setzlinge von zum Beispiel Marihuana-Pflanzen kaufen und diese in eigenen Zuchtanlag­en in Deutschlan­d anbauen.

So fanden Fahnder bei der Kontrolle eines Autos auf der A96 im vergangene­n Jahr zwölf frische Marihuana-Setzlinge. Fahrer und Beifahrer gaben zu, dass sie die Pflanzen in Österreich gekauft hatten. Als Polizisten später die Wohnungen der beiden durchsucht­en, fanden sie eine bereits abgeerntet­e Plantage, weitere Cannabispr­odukte, zwei Schrecksch­usswaffen, einschlägi­ge Schriftstü­cke sowie reichlich Bargeld. Außerdem stand der Fahrer unter Drogeneinf­luss.

Wenn es um den Rauschgift­schmuggel geht, dann ist bei Kriminelle­n mittlerwei­le ein Fortbewegu­ngsmittel besonders beliebt: Der Fernbus. Immer wieder kontrollie­rten die Fahnder im vergangene­n Jahr Busse, immer wieder blieben bei den Gepäckzuor­dnungen herrenlose Koffer übrig, in denen sich Drogen befanden. Manchmal können die Polizisten solche Koffer am Ende doch einem Fahrgast zuordnen, manchmal befindet sich dessen Besitzer allerdings überhaupt nicht im Bus. „An großen Haltestell­en in Turin oder Mailand ist eine große Ballung“, sagt Pfaff. So gebe es auch Leute, die ihre Koffer an einer belebten Haltestell­e in den Bus werfen, damit sie jemand anders an einer ebenso belebten Haltestell­e wieder rausholt. Denn im Fernbus werden die Gepäckstüc­ke nicht, wie zum Beispiel im Flugzeug, zugeordnet. Eine Lösung für dieses Problem ist bislang nicht in Sicht. „Aber Flixbus zeigt im Gespräch mit der Polizei einen guten Willen“, sagt Pfaff. Die meisten Delikte, mit denen es die Fahnder zu tun haben, sind sogenannte Kontrollde­likte. Wenn die Polizei nicht kontrollie­rt, werden sie nicht aufgedeckt. Auch deshalb freut sich Pfaff über den angekündig­ten Personalzu­wachs. Wann die neuen Kollegen kommen und wie viele es sein werden, weiß er allerdings selbst noch nicht. Allerdings könnte es mit dem Personalzu­wachs in den Räumen der Grenzpoliz­ei eng werden. Und zwar noch enger, als es dort sowieso schon ist. „Wir versuchen seit längerem, Baugrund oder andere Räume zu bekommen“, sagt Pfaff. Denn in den aktuellen Räumen der Grenzpoliz­ei, die auch noch durch eine Hauptstraß­e getrennt sind, sei einfach viel zu wenig Platz.

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FOTO: JULIA BAUMANN Alexander Pfaff ist seit dem 2. Juli Leiter der neuen Grenzpoliz­ei in Lindau. Vorher war er Chef der Schleierfa­hnder.

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