Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
26 000 Menschen unterstützen die Bodenseefischer
Warum die Fischer die Petition „Der Bodensee – ein Juwel hungert“quasi als ihre letzte Chance sehen
LINDAU - Fast 26 000 Menschen stärken den Berufsfischern den Rücken. Mit ihrer Petition „Der Bodensee – ein Juwel hungert“wollen sie einen höheren Phosphatgehalt im See erreichen. Andernfalls werde es keine ökologisch hochwertigen Wildfisch am Bodensee mehr geben. Und das wäre nicht nur für ein dutzend Fischer schmerzlich.
Die Berufsfischer fühlen sich ziemlich alleingelassen. Hilfe erwarten sie eigentlich nur noch von den heimischen Landtagsabgeordneten. Eberhard Rotter (CSU) habe sich immer für sie eingesetzt, sei aber an der Ministerialbürokratie gescheitert, sagt Roland Stohr, der mit Berufskollegen am Freitag die Petition an Leopold Herz (FW) übergibt. Und der hat eine gute Nachricht mitgebracht: Denn am Mittwoch nimmt sich die neue bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber in München eine Stunde Zeit für die bayerischen Fischer.
Die Fischer hoffen, dass die Politik der Bürokratie endlich Vorgaben macht. Wenn der Rückhalt einer so breit unterstützten Petition nicht hilft, dann wissen Roland Stohr und seine Mitstreiter nicht mehr weiter. Seiner Meinung nach hängt alles an einem bürokratischen Akt: Denn wie viel Phosphat das Wasser im Bodensee enthalten darf, hängt davon ab, ob er als Alpensee oder als Voralpensee eingestuft ist.
Ein Alpensee liegt meist oben in den Bergen und ist mit seinem glasklaren Wasser sehr nährstoffarm. Fische gibt es in diesen Seen deshalb kaum. Ein Voralpensee ist nährstoffreicher, deshalb finden Fische dort gut Nahrung. Der Bodensee gilt derzeit als Alpensee, mit der Folge, „dass die Fische hungern“, wie Stohr sagt. Zugleich müssten die Kläranlagen rund um den See mit hohem chemischen Aufwand das gesamte Phosphat aus dem Schmutzwasser herausfiltern. Der Reinigungsgrad liegt bei 98 Prozent, obwohl laut EURichtlinien 80 Prozent reichen würden.
Die Fischer sehen im See kein ökologisches Gleichgewicht mehr
Anwalt Michael Moser, den die Fischer eingeschaltet haben, bringt die Haltung der Fischer auf den Punkt: „Da ist kein ökologisches Gleichgewicht mehr im See.“War der Bodensee in der 70er Jahren zu dreckig, so ist er heute zu sauber. Das habe hungrige Fische zur Folge, die kraftlos möglichst unbeweglich im See stehen. Während der Mensch früher unbedenklich alles in den See geleitet habe, würden die Verantwortlichen nun vergessen, dass durch dAusscheiden von Mensch und Tieren am Ufer sowie durch sterbende Tiere und durch Eintrag der nicht begradigten Flüsse früher immer Nährstoffe auf natürliche weise in den See gelangt sind. Da dies in Folge der Eingriffe des Menschen nicht mehr möglich sei, sei es falsch, das geklärte Wasser völlig phosphatfrei zu machen.
Wenn sich nichts ändere werde es kaum mehr ökologisch hochwertigen und gesunden Seefisch geben. Schon heute leben die Fischer vor allem von zugekauften Forellen und Saibling, weil die nicht mal 22 Tonnen Felchen nicht ausreichen, um alle Berufsfischer am Bodensee zu ernähren.
In dieser Frage sind sich die Berufsfischer vom ganzen See einig. Umso mehr beklagen die zehn aktiven bayerischen Berufsfischer um Roland Stohr eine Neuregelung, die sie als höchst ungerecht empfinden. Denn Vorarlberger und Schweizer dürfen mit einem zusätzlichen Netz fischen, das zudem engere Maschen hat. Ab Januar gilt das auch für Württemberger. Für die Bayern ist das aber noch auf Jahre hinaus ausgeschlossen, weil die Fischer hier im Durchschnitt jünger sind als die Kollegen vom restlichen See. Deshalb dauert es länger, bis die Zahl der Patentinhaber zurückgeht.
Dass Bayern in der Internationalen Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei dem trotzdem zugestimmt hat, macht Stohr nach wie vor wütend. Denn bisher waren sich die Fischer mit ihren Problemen wenigstens einig. Doch jetzt gebe es in den Schiffen verschiedene Klassen: „Dabei hat es das noch nie gegeben, dass Fischer auf dem Bodensee ungleich behandelt werden.“