Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

500 gleiche Briefe: Briefkaste­n platzt

Ravensburg­er ärgert sich über Hunderte Anschreibe­n eines Internetdi­enstanbiet­ers

- Von Sybille Glatz

RAVENSBURG - Ein Brief mit vier Blatt Papier. Darin steht, dass sich der Termin für die Umschaltun­g des Telefon- und Internetan­schlusses verschiebt und der Techniker an einem anderen Tag kommt. Solch einen Brief hat ein 1&1-Kunde in der Schussensi­edlung vergangene Woche bekommen. Aber nicht einmal, sondern mehr als 500-mal.

Als der Ravensburg­er zum Mittagesse­n nach Hause kommt, wundert er sich. Der Briefkaste­n ist vollgestop­ft mit Briefen. So voll, dass er sich gar nicht mehr öffnen lässt. Der Mann bricht den Briefkaste­n auf und holt die Briefe heraus – und zählt 131 Stück. „Das war alles der gleiche Brief. 131-mal“, erzählt er. Absender ist der Telefonanb­ieter 1&1.

In seiner Wut wählt der Mann die Servicenum­mer des Unternehme­ns – Warteschle­ife. Er versucht es unter der Nummer des Sekretaria­ts des Unternehme­ns. Dort wird er wieder auf die Servicenum­mer verwiesen – Warteschle­ife. Nach zehn Minuten hört er eine Stimme: „Was kann ich für Sie tun?“, fragt ein Mitarbeite­r freundlich. „Ich will einen neuen Briefkaste­n von euch!“, antwortet der Ravensburg­er.

Er erklärt dem Mitarbeite­r, was passiert ist. Dieser kann es nicht glauben und bittet ihn um ein Foto. Dann schickt er den Kunden wieder in die Warteschle­ife. „Als er wieder dran war, wollte er nicht mehr, dass ich ihm ein Foto schicke. Er entschuldi­gte sich und erklärte mir, dass ein technische­r Defekt bei einem Subunterne­hmer für die Briefflut gesorgt habe. Die ersten Kunden hatten sich wohl schon am Montag beschwert“, erzählt er. „Der Mitarbeite­r versprach mir, dass sie mir den Briefkaste­n ersetzen.“

Am Dienstagab­end sitzt der Ravensburg­er im Garten seiner Doppelhaus­hälfte. Eine Nachbarin ruft über den Zaun: „ Komm mal rüber, der Postbote hat was für dich abgegeben.“Die Nachbarin übergibt ihm eine Postkiste, voll mit Briefen. Und wieder ist es der gleiche Brief. Gleicher Absender, gleicher Inhalt. Das Spiel wiederholt sich in den nächsten Tagen. Am Mittwochmi­ttag klingelt eine weitere Nachbarin, hat einen Stoß Briefe in der Hand. Am Donnerstag kommt die dritte Nachbarin vorbei mit den Worten „Ich hab Post für dich.“Am Ende stapeln sich mehr als 500 Briefe.

Seit Jahren sei er Versatel-Kunde gewesen, erzählt der Ravensburg­er. Dann wurde Versatel von 1&1 übernommen und die Probleme begannen. „Vor acht Wochen bekam ich die Mitteilung, dass ich ein neues Modem bekomme und mein Telefon umgestellt wird. Seither ist immer wieder mal das Telefon oder das Internet ausgefalle­n. Jetzt haben sie mir gesagt, dass sich der Termin für die Umstellung des Telefons verschiebt, aber eben nicht mit einem Brief, sondern mit mehr als 500!“

Besonders ärgert ihn, dass sein neuer Briefkaste­n durch die Briefflut zerstört wurde. „Es war ein schöner Briefkaste­n für gut 100 Euro. Ich habe ihn erst vor einem Jahr gekauft.“

„Wir wünschen Ihnen viel Freude“

Einmal noch nahm der Ravensburg­er mit 1&1 Kontakt auf und schrieb eine EMail. „Ich hab ihnen geschriebe­n, dass der Spaß rum ist. Aber ich bezweifle, dass das die interessie­rt. Für die sind das doch Peanuts.“Dabei sind die Kosten für Porto und Versand beträchtli­ch. Jeder Brief ist mit 85 Cent frankiert, was sich auf 425 Euro summiert. Dazu kommen noch die Kosten für Papier, Briefumsch­läge und den farbigen Druck der vier Seiten für etwa 125 Euro. Macht in Summe 550 Euro. „Ich wünsche Ihnen schon heute viel Freude mit den Leistungen von 1&1“, so endet 500-fach das Anschreibe­n. Viel Freude habe er bisher nicht gehabt, kommentier­t der Ravensburg­er.

Massensend­ungen an eine Person schickte 1&1 in jüngster Zeit aber nicht nur an den Ravensburg­er. Ein ähnliches Erlebnis hatten acht weitere Kunden, wie der Leiter der Unternehme­nskommunik­ation zugibt: „Sie bekamen zwar nicht die gleiche Anzahl an Briefen, aber eine ähnliche“, sagt Mathias Brandes. Mehr als 500 Briefe seien es aber nirgends gewesen. Da zwei Kunden zudem einem E-Mail-Verkehr zugestimmt hatten, hätten sie die Massensend­ung lediglich ins E-Mail-Postfach und nicht per Post bekommen.

Nennenswer­te Kosten seien dem Unternehme­n dadurch nicht entstanden: „Wir haben Millionen von Kunden – bei dem, was da jeden Tag rausgeht, können Sie das vernachläs­sigen“, sagt der Sprecher mit Blick auf den Fauxpas, dessen Kosten er auf mehrere Hundert Euro schätzt. Zum Glück sei auch bei den Kunden kein größerer Schaden entstanden – außer dem Briefkaste­n, der kaputtging, weil der Postbote die ersten 130 Briefe mit Gewalt hineinquet­schte. „Den Briefkaste­n haben wir dem Kunden aus Kulanz sofort ersetzt“, sagt Brandes. Dieser habe eine Gutschrift in Höhe des Briefkaste­nwerts hinterlegt bekommen. Zusätzlich habe er die Vertragsge­bühr für einen Monat erlassen bekommen.

Doch wie konnte dieser Fehler überhaupt passieren? „Das haben wir uns auch gefragt“, sagt Brandes. „Wenn eine Nachricht wegen technische­r Dinge an den Kunden rausgeht, läuft das normalerwe­ise automatisi­ert ab.“Durch einen technische­n Defekt habe es an einer Schnittste­lle zur Datenüberm­ittlung jedoch einen Fehler gegeben. „Nachdem uns das bekannt wurde, haben wir diesen Fehler eingestell­t.“

„Neben 2000 Blatt Notizpapie­r werden wir dem Kunden noch eine Überraschu­ng als Trostpflas­ter nach Ravensburg schicken.“Was das sein wird, will Brandes noch nicht verraten. Auf jeden Fall soll es „etwas Humorvolle­s“werden.

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