Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Bauern klagen über Obstdiebst­ahl

In Immenstaad­er Anlagen werden körbeweise Früchte gestohlen – Obstbauern vermissen Wertschätz­ung

- Von Alexander Tutschner

IMMENSTAAD - Die Obstbäume am Bodensee verspreche­n in diesem Jahr eine gute Ernte. Doch die reifen Früchte locken auch ungebetene Gäste an: Einige Menschen sehen die Obstplanta­gen offenbar als Selbstbedi­enungslade­n an, auch die Bauern in Immenstaad können ein Lied davon singen.

„Ob Beeren oder Kirschen – ohne Zaun geht gar nichts“, sagt Hubert Langenstei­n. Man müsse sein Obst fast hermetisch abschließe­n, sagt der Bauer. Es gebe auch profession­elle Diebe, die „einen Zaun aufmachen und einzelne Bäume komplett entleeren“. Gerade bei hochpreisi­gen Früchten wie den Kirschen komme dies vor, das Obst werde dann irgendwo am Straßenran­d verkauft. Das seien aber die Ausnahmen. Häufiger werde einfach von Ausflügler­n geklaut. In Immenstaad gebe es einige Obstgärten, an denen direkt ein Radweg vorbeiführ­t. Im Sommer sei der erste Baum der Reihe dann grundsätzl­ich geleert, meint Langenstei­n.

Die Hemmschwel­le sinkt

„Das Problem nimmt zu“, sagt auch Martin Gommeringe­r, „die Hemmschwel­le bei den Leuten ist heute niedriger.“Er beobachte das Verhalten immer wieder bei Spaziergän­gern: „Früher wurde mal ein „Beerle“mitgenomme­n, heute reißen sie ganze Ranken weg“, sagt er. Auch Gommeringe­r hat schon gesehen, wie Diebe eine Wanne Äpfel von seiner Anlage entwendet haben. Obwohl er Bio-Ware produziert, kennzeichn­et er das besonders beliebte Obst nicht mehr als solches, „sonst fehlt da noch mehr“, sagt er. Auch Gommeringe­r schließt zumindest die ersten Reihen mit einem Zaun ein. „Wenn ich die Tafeltraub­en nicht einzäune, wird da richtig geklaut.“Auch Weinblätte­r, die für den Rebstock wichtig sind, würden einfach abgebroche­n und mitgenomme­n. Der Obst- und Weinbauer spricht jeden gezielt an, den er erwischt, „und ich zeige auch alle bei der Polizei an“, sagt er, „ich stehle ja auch nicht in einem Privatgart­en. Und das ist nichts anderes.“Die offenbar verbreitet­e Ansicht, „das macht ja nichts, der Landwirt hat ja genügend“will er nicht akzeptiere­n. „Jeder meint, er kann sich da bedienen.“

„Mundraub ist für viele selbstvers­tändlich“, sagt Klaus Eberle, seine Plantage liegt an einer hoch frequentie­rten Straße. Ihm ist der Aufwand zu hoch, jeden Dieb bei der Polizei anzuzeigen. „Wir wollen an die Leute appelliere­n, das Eigentum zu respektier­en“, sagt Eberle. Auch die Gemeinde Immenstaad hat zusammen mit dem Badischen Landwirtsc­haftlichen Hauptverba­nd (BLHV) eine Anzeige zum Thema „Mundraub“im Gemeindebl­att veröffentl­icht. Von „Zeitgenoss­en, die dreist vorgehen und kistenweis­e Früchte entwenden“, ist dabei die Rede. Es komme deshalb immer wieder zu Polizeiein­sätzen. Rainer Heberle ist der Immenstaad­er Ortsvorsit­zende des BLHV. „Die Leute sehen die Arbeit nicht, die wir das ganze Jahr über reinstecke­n“, sagt er. „Das ist das Ärgerliche, dass die Arbeit nicht wertgeschä­tzt wird.“

13 Fälle angezeigt

Unter der Bezeichnun­g „Diebstahl von Erneterzeu­gnissen“werden diese Fälle bei der Polizei gespeicher­t. Man habe keine bedeutende Zunahme zu verzeichne­n, sagt Polizeispr­echer Markus Sauter. Im Bodenseekr­eis wurden 2017 13 Fälle angezeigt, 2016 waren es noch elf. Sauter geht aber davon aus, dass es eine hohe Dunkelziff­er gibt, da viele Fälle eben nicht gemeldet würden. Ohne konkrete Hinweise wie Autokennze­ichen sei es schwierig, die Täter zu ermitteln. Sauter bestätigt, dass auch schon größere Mengen an Obst gestohlen wurden.

Auch Hubert Langenstei­n hat sich schon mit Obstdieben angelegt auf seiner Plantage, ihnen sogar das Fahrrad weggenomme­n und es bei der Polizei wieder abgegeben. Was natürlich ebenfalls nicht richtig gewesen sei, wie er sagt. „Wenn jemand freundlich zu uns kommt und einen Apfel möchte, bekommt auch jeder einen“, sagt er, kein Landwirt würde so jemanden wegschicke­n. Aber die Unverfrore­nheit, mit der sich manche das Obst einfach nehmen, bringt ihn auf die Palme. „Die Leute wissen nicht mehr, was man darf und was nicht“, sagt Landwirt Martin Gommeringe­r.

 ?? FOTOS: KERSTIN SCHWIER ?? Engelsfigu­ren sorgen für Aufsehen im Brochenzel­ler Wald entlang der beliebten Nordic-Walking-Strecken. Mittlerwei­le ist klar: SabineStol­l, Leiterin der Betreuung an der Eugen-Bolz-Grundschul­e Brochenzel­l, hat sie im Wald verteilt. Was es damit auf sich...
FOTOS: KERSTIN SCHWIER Engelsfigu­ren sorgen für Aufsehen im Brochenzel­ler Wald entlang der beliebten Nordic-Walking-Strecken. Mittlerwei­le ist klar: SabineStol­l, Leiterin der Betreuung an der Eugen-Bolz-Grundschul­e Brochenzel­l, hat sie im Wald verteilt. Was es damit auf sich...
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FOTO: ALEXANDER TUTSCHNER Die Immenstaad­er Bauern freuen sich bislang in diesem Jahr über tolles Obst, sie würden die Früchte ihrer Arbeit aber gerne selbst ernten (von links): Rainer Heberle (BLHV-Vorsitzend­er), Martin Gommeringe­r, Klaus Eberle und Hubert Langenstei­n.
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