Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Lindauer GWG dichtet halbiertes Haus mit Folie ab

Die unschöne Lösung soll Dauerzusta­nd bleiben – Mieter Horst Resch schämt sich für sein Zuhause

- Von Julia Baumann

LINDAU - Das Haus der Familie Resch kennt in der Reutiner Straße in Lindau mittlerwei­le jeder – denn es sticht sofort ins Auge: Da, wo bis vor kurzem eine Doppelhaus­hälfte stand, ist jetzt nur noch eine große, graue Plane. Was aussieht, wie eine provisoris­che Notlösung, soll laut Alexander Mayer, Chef der Lindauer Wohnungsge­sellschaft GWG, Dauerzusta­nd bleiben.

Horst Resch steht vor der großen grauen Folie und ist verzweifel­t. Seit 35 Jahren lebt er mit seiner Frau in der Reutiner Straße. Das kleine Häuschen neben dem Lindauer Stadion hegen und pflegen die Mieter, als sei es ihr eigenes: Im Garten steht ein kleiner Pool für die Enkelkinde­r, die Fassade hat Horst Resch erst vor kurzem frisch gestrichen. Auch die dunkelgrün­en Fensterläd­en mit den ausgesägte­n Herzen hat er, wie er sagt, selbst gemacht. Doch das alles sieht man nicht, wenn man von der Straße auf sein Haus blickt. Dann sieht man nur die große graue Folie.

„Die Leute lachen uns aus. Jeder fragt uns, was passiert ist“, erzählt Resch. Passiert ist, dass die Lindauer Wohnungsge­sellschaft GWG Ende März die Doppelhaus­hälfte neben dem Haus der Familie Resch abreißen lassen hat. Davon erfahren hat Horst Resch, wie er sagt, knapp drei Wochen vorher. Das Haus sei bereits seit Jahren leer gestanden. Laut Resch war es einwandfre­i. Laut GWG-Chef Alexander Mayer war es alt, feucht und modrig.

Als das Nebengebäu­de abgerissen war, haben Bauarbeite­r die verblieben­e, laut Resch etwa 1,5 Zentimeter dicke, Hauswand mit einer Plane abgedeckt. „Anfang Mai kam dann eine Sperrholzp­latte dazu“, sagt Resch. Mittlerwei­le hätten Bauarbeite­r unter der Sperrholzp­latte eine Dämmung eingearbei­tet, die Plane soll das ganze Konstrukt vor Feuchtigke­it schützen. „Aber wenn es regnet, dann sifft die ganze Wand voll. Und wenn es lange regnet, dann läuft Wasser rein“, sagt Resch. Außerdem sorge er sich, dass es im Winter in seinem Haus nun kalt wird.

Denn vonseiten der GWG sind die Arbeiten am Haus der Familie Resch abgeschlos­sen. „Zumindest aktuell, bis wir wissen, wie es weitergeht“, sagt GWG-Chef Alexander Mayer im Gespräch mit der Lindauer Zeitung. Schließlic­h habe die GWG ja eine Dämmung am Gebäude angebracht. „Das ist momentan besser gedämmt als vorher“, sagt Mayer.

Als Horst Resch erfuhr, dass die Plane tatsächlic­h die endgültige Lösung für sein Haus bleibt, hat er sich einen Anwalt genommen. Für ihn ist dieser Zustand nicht haltbar. „Wenn alles in Ordnung wäre, dann hätten sie gar keine Folie über der Wand gebraucht“, sagt Resch, der vor seiner Pensionier­ung selbst Handwerker war – und zeigt auf einige Löcher im Boden, in denen einst die Verbindung­sbalken zum Nachbarhau­s steckten. „Da haben sie einfach Dämmung rein und Mörtel drüber“, erklärt er. „Wenn man etwas abreißt, dann sollte man es auch wieder so herstellen, wie es vorher war.“

Resch hatte der GWG angeboten, sich selbst um die Fassade seines Hauses zu kümmern. Das habe ihm die GWG untersagt. Aus Versicheru­ngsgründen, wie GWG-Chef Mayer erklärt. „Wir lassen keine Mieter am Haus umeinander­basteln. Der haut sich den Fuß an, und wir sind dann schuld.“

GWG plant einen Neubau

Resch ist sich sicher: „Die wollen mich los haben. Und auf normalem Weg bekommen sie mich nicht raus.“Immerhin plane die GWG auf dem Gelände zwischen Stadion, Reutiner Straße und seinem Haus einen Neubau, für den unter anderem das Vereinshei­m der Faustballe­r umziehen muss. Alexander Mayer bestätigt, dass die GWG in der Reutiner Straße 27 Sozialwohn­ungen bauen möchte. Und er bestätigt auch, dass sich das Haus der Familie Resch für die GWG nicht lohnt. „Das Gebäude hat keinerlei Erhaltungs­wert. Es verdient nicht einmal die Verwaltung­skosten, die reingestec­kt werden“, sagt er.

Die GWG habe Horst Resch bereits mehrere Angebote gemacht, umzuziehen. So habe ein Mitarbeite­r der GWG bereits vor mehr als zwei Monaten mündlich angeboten, der Familie eine neue Unterkunft zu suchen. Diese Angebote hätten die Reschs aber immer kategorisc­h abgelehnt. „Die Ansprüche sind sehr hoch, bisher zahlen sie nur eine minimale Miete.“Wenn die GWG das bestehende Haus auf Vordermann bringen wollte, würde das schnell zwischen 15 000 und 17 000 Euro kosten. Dieses Geld will die GWG, so Resch, nicht mehr investiere­n. Allerdings habe ihn auch nie jemand aufgeforde­rt, aus seinem Haus auszuziehe­n. „Hätten sie mir offen gesagt, dass sie das Haus abreißen wollen, und hätten sie mir eine neue Wohnung angeboten, dann hätte ich mir das vielleicht überlegt“, sagt er. „Aber jetzt ziehe ich nicht aus. Ich bin doch nicht blöd.“

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FOTO: JULIA BAUMANN Schön sieht es nicht aus: Die GWG hat ein Haus in der Reutiner Straße mit einer Plane abgedeckt. Was wie eine provisoris­che Lösung aussieht, soll Dauerzusta­nd bleiben.

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