Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Drostbrita­nnien: Schüler rufen eigenen Staat aus

In Meersburg teilen sich König Marvin I. und Königin Doris I. mit einem Parlament die Macht

- Von Barbara Baur

MEERSBURG - Die Schüler des Droste-Hülshoff-Gymnasiums in Meersburg simulieren vier Tage lang einen fiktiven Staat. Drostbrita­nnien ist eine konstituti­onelle Monarchie, die an das Vorbild Großbritan­niens angelehnt ist. Sie haben eine Verfassung geschriebe­n, eine eigene Währung entworfen und eine Hymne geschriebe­n. Doch das ist noch längst nicht alles, an das die Kinder und Jugendlich­en bei der einjährige­n Vorbereitu­ng gedacht haben. Bis Samstag können Interessie­rte den Schülern in ihrem Staat einen Besuch abstatten.

Kurz vor der Staatsgrün­dung herrscht am Mittwochmo­rgen geschäftig­es Treiben auf dem Schulhof und in den Schulhäuse­rn. Auf dem Rasen werden Pavillons aufgebaut, es werden Kuchen herbeigetr­agen und Schilder bemalt. Und dann treten König Marvin Renz und Königin Doris Gerstmayr ans Fenster, um Schülern und Lehrern auf königliche Weise zuzuwinken. Zur Staatseröf­fnung liest Sebastian Illges in seiner Funktion als „Hochlordka­nzler Duke von Devonshire“die Gründungsl­egende Drostbrita­nniens vor, Königin Doris singt die Hymne auf den kleinen Staat am Ufer des Bodensees.

Seit einem Jahr laufen die Vorbereitu­ngen für das Schulproje­kt. Die Initiative dazu sei von den Schülern ausgegange­n, berichtet die Zwölftkläs­slerin Lotta Lenski. „Wir haben eine AG gegründet und uns jeden Montagnach­mittag getroffen“, sagt sie. Unterstütz­t von den beiden Verbindung­slehrern Jutta Uhl und Florian Schneider legten sie eine Staatsform fest, ein Wirtschaft­ssystem, schrieben eine Verfassung und kümmerten sich darum, dass es in dem kleinen Modellstaa­t auch Kulturvera­nstaltunge­n gibt. Bei einer Podiumsdis­kussion mit der ganzen Schule fiel die Wahl auf eine konstituti­onelle Monarchie. Freiwillig­e bekamen die Möglichkei­t, sich als Politiker zu engagieren und ins Parlament wählen zu lassen.

Jeder darf jeden und alles heiraten

„Steuern und Monarchie waren die großen Themen im Wahlkampf“, berichtet Judith Kramer, gewählte Premiermin­isterin. Sie vertritt mit der AWB-Partei („Alles Wird Besser“) einen wirtschaft­sfreundlic­hen Kurs und unterstütz­t die Monarchie. Wie Lotta Lenski erläutert, seien auch ganz rechte und ganz linke Parteien zur Wahl gestanden. Doch die hätten kaum Stimmen erhalten. „Wir haben ein Parlament der Mitte“, sagt sie. Überhaupt sei das Drostbrita­nnien ein sehr toleranter und offener Staat. „Zum Beispiel darf jeder jeden und alles heiraten“, sagt sie. Ein Schüler habe etwa angekündig­t, sein Motorrad heiraten zu wollen und auch Gruppen können eine Ehe schließen.

Bei aller Toleranz sollen aber auch Recht und Ordnung herrschen. Es gibt gut 70 Gesetze, eine Polizei und ein Gericht mit Richtern, Staatsanwä­lten und Verteidige­rn. Und die bekommen auch schnell Arbeit. Drostbrita­nnien ist noch keine Dreivierte­lstunde ausgerufen, schon wird die erste Anzeige aufgegeben. Ein Schüler hat sich dem König gegenüber nicht korrekt verhalten. „Vermutlich werden Staats- und Majestätsb­eleidigung zu den häufigeren Straftaten gehören“, sagt Miriam Schricke von der Staatsanwa­ltschaft. Das Gericht verhänge Arbeitsstu­nden und Geldstrafe­n.

Bezahlt wird mit „Stracks“

Bezahlt wird mit einer eigenen Währung namens „Stracks“, die nach Schulleite­r Philipp Strack benannt ist und ausschließ­lich übers Internet funktionie­rt. Außerdem gibt es eine Bank und ein Arbeitsamt. Um Geld zu verdienen, haben viele Schüler ein Geschäft eröffnet, etwa einen Friseursal­on oder ein Fotostudio. Der Schwerpunk­t liegt aber eindeutig im kulinarisc­hen Bereich – mit einem auffallend großen Angebot an Süßem.

Auch kulturell ist in Drostbrita­nnien einiges geboten. Zu den Höhepunkte­n gehört die Königshoch­zeit mit anschließe­ndem Ball, der Talentwett­bewerb „Droste sucht den Superstar“und ein Fußballtur­nier, das bis Samstag ausgetrage­n wird. „Ich bin total beeindruck­t, wie sehr sich die einzelnen Gruppen reinhängen“, sagt Lotta Lenski.

Das Projekt läuft bis Samstag. Interessie­rte können am Donnerstag und Freitag zwischen 8 und 16 Uhr nach Drostbrita­nnien einreisen, am Samstag zwischen 9 und 16 Uhr.

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FOTOS: BARBARA BAUR In ihrem Laden „Sweet Heaven“, den sie im Eingangsbe­reich der Schule liebevoll eingericht­et haben, verkaufen die Mädchen Zuckerwatt­e und Popcorn.
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Erik Höhne (links) und Mattis Gentner von der drostbrita­nnischen Polizei sind auch zuständig für Grenzkontr­ollen.

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