Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Elterntaxis können Kinder gefährden
Die Stadt ermittelt derzeit die problematischen Verkehrslagen vor Schulen und Kindergärten
Vollzugsdienst hat die Verkehrssituation vor Schulen und Kindergärten im Auge.
FRIEDRICHSHAFEN - André Wünsch steht morgens um 7.30 Uhr vor der Realschule St. Elisabeth und hat ein Auge auf die sogenannten „Elterntaxis“– das sind Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen oder sie abholen. Dadurch kann es zu Verkehrsstaus kommen und zu gefährlichen Situationen für die Schulkinder. Da passt also etwas nicht zusammen: Eltern wollen ihre Kinder sicher zur Schule bringen, schaffen mit ihrem Hol- und Bringdienst aber genau die Gefahren, vor denen sie den Nachwuchs schützen wollen.
So wie dieser Vater: Er biegt von der Zeppelinstraße in die Werastraße ein und fährt auf der falschen Spur bis auf den Gehweg vor der Realschule St. Elisabeth. Dann öffnet sich die Tür und ein Kind steigt aus– nicht auf der Seite des Gehwegs, sondern auf die Straße. Das ist gefährlich, es ist verkehrswidrig – und dem Fahrer ist es sichtlich wurscht, als André Wünsch ihn darauf aufmerksam macht:. „Ich komme von da“, sagt er und zeigt mit dem Finger hinter sich „und will nach da“– der Finger zeigt voraus, als sei damit ja alles klar. „Ein sehr einsichtiger Fahrer“, sagt André Wünsch danach mit milder Ironie. Er ist so etwas gewohnt. Ein Bußgeld verhängt er trotzdem nicht. Auch nicht, als Autos auf den kleinen Platz vor dem Treppenaufgang zur Schule einfahren, um ihre Kinder aussteigen zu lassen – immerhin machen das die Lehrer auch, weil sich dort Lehrerparkplätze befinden. „Verboten ist das ja auch nicht“, sagt André Wünsch.
Die Stadt nimmt die Situation vor den Häfler Schulen und Kindergärten noch bis zu den Sommerferien in den Blick. Geldbußen kann der Vollzugsdienst dabei zwar verhängen, aber in erster Linie soll festgestellt werden, wo durch Elterntaxis wirklich problematische Verkehrslagen entstehen und was dagegen unternommen werden kann. „Erst im Zuge der Lösung und ihrer Umsetzung wird es verstärkt Kontrollen geben, um darauf hinzuwirken, dass die neuen Möglichkeiten dann auch genutzt werden“, sagt Monika Blank, Pressesprecherin der Stadt.
Bislang gäbe es relativ wenige Verstöße, erzählt Damian Krämer, Abteilungsleiter Bußgeldwesen beim Rechtsamt. Auch weil Anwohner sich beschwert haben, nimmt die Stadt die Situation nun in Augenschein. Allerdings fühlen sich Anwohner vom stoßweisen Verkehr zu Schulbeginn und bei Schulschluss zwar oft belästigt, meint Krämer, aber ein objektiver Verstoß liege damit freilich noch nicht vor. „In Fischbach etwa ist nachmittags um 15.40 Uhr viel los. Da ist die Kapellenstraße voller Autos, die Kofferräume stehen offen. Aber die Autos stehen alle perfekt am Straßenrand. Vorbildlich!“, sagt Krämer. Manche Straßen vor Schulen, ergänzt Monika Blank, seien verkehrsberuhigte Bereiche. „Wenn morgens um 7.30 Uhr die Eltern alle gleichzeitig anfahren, ist es verständlich, dass sich Anwohner darüber aufregen. Aber Stau ist eben noch nicht verboten.“
Klarer Handlungsbedarf besteht hingegen bei der Pestalozzischule. „Eltern sehr uneinsichtig“, steht knapp in Krämers Akten. Bei der Pestalozzischule kommt es vor, dass Eltern bis auf den Schulhof fahren, um ihre Kinder aussteigen zu lassen, schildert Krämer. Da werden Absperrpfosten zugeparkt, Gehwege und Zebrastreifen. „In der Wendelgardstraße ist absolutes Halteverbot. Aber gerade da lassen die Eltern ihre Kinder aussteigen“, sagt André Wünsch. Die Probleme sind altbekannt, immer wieder wird vor der Pestalozzischule kontrolliert, aber es ändert sich einfach nichts. Die Stadt will zur Lösung nun eine Hol- und Bringzone in der Allmandstraße ausweisen. Was aber generell nicht geht, ist eine Reservierung bestehender Parkplätze für Eltern. „Das gibt die Straßenverkehrsordnung nicht her“, sagt Monika Blank.
Bevor die Stadt überhaupt praktikable neue Möglichkeiten für Elterntaxis schafft, wird aber die bestehende Infrastruktur geprüft: „Gibt es vielleicht einen Parkplatz und er wird nur nicht genutzt, weil er 50 Meter entfernt ist?“, stellt Damian Krämer in den Raum. Denn natürlich spielt der Bequemlichkeitsfaktor eine Rolle. Vielleicht auch pure Unkenntnis. Gibt es vom Wohnort zur Schule wirklich keine Busverbindung mit akzeptablen Taktzeiten? Wäre das Fahrrad nicht doch eine Alternative?
Dass André Wünsch vor der Reaschule St. Elisabeth recht wenig zu tun hat, liegt gewiss auch an der guten Anbindung: Alle paar Minuten halten zu beiden Seiten der Werastraße Busse, aus denen Kinder strömen. Je kleiner die Kinder sind, desto geringer ist übrigens das Problem: „In die Kindergärten bringen viele Eltern ihre Kinder zu Fuß oder mit dem Fahrrad“, sagt André Wünsch. Er kennt auch den Grund: „Die Kindergärten liegen in den Wohngebieten und die Leute kommen nicht von weit her.“Dann muss er kurz mal weg: da fährt schon wieder jemand auf den Gehweg.