Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Schwere Vorwürfe im Fall Sami A.

Nach Abschiebun­g des Islamisten verlangt der Landtag Aufklärung – Neuer Anlauf für Erweiterun­g der Liste sicherer Herkunftsl­änder

- Von Tobias Schmidt und dpa

BERLIN - Nach der umstritten­en Abschiebun­g des Islamisten Sami A. verlangen Grüne und SPD im Düsseldorf­er Landtag Aufklärung zu den Ungereimth­eiten. Am Freitag soll sich der Rechtsauss­chuss in einer Sondersitz­ung mit dem Fall befassen. Unterdesse­n wurde bekannt, dass es einen weiteren Fall eines möglicherw­eise rechtswidr­ig abgeschobe­nen Flüchtling­s gibt. Es handelt sich nach Recherchen des Senders NDR um einen Afghanen aus Mecklenbur­g-Vorpommern, der in der vergangene­n Woche zusammen mit 68 Landsleute­n nach Kabul zurückgebr­acht worden war. Das Verfahren, mit dem der 20-Jährige gegen seinen negativen Asylentsch­eid klagte, sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlos­sen gewesen.

Die Bundes-FDP nahm im Fall Sami A. den nordrhein-westfälisc­hen Integratio­nsminister Joachim Stamp (FDP) in Schutz. Sami A. wird als Gefährder eingestuft, dem die Sicherheit­sbehörden eine schwere Straftat wie einen Anschlag zutrauen. Das Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen hatte am Donnerstag­abend entschiede­n, dass Sami A. weiterhin nicht abgeschobe­n werden dürfe, weil nicht auszuschli­eßen sei, dass ihm in Tunesien Folter drohe. Jedoch übermittel­te es den Beschluss erst am Freitagmor­gen, als das Flugzeug mit Sami A. schon in der Luft war.

Bundesinne­nminister und CSUChef Horst Seehofer wollte sich am Dienstag in Düsseldorf mit NRWFlüchtl­ingsminist­er Joachim Stamp (FDP) treffen. Doch der lange geplante Termin wurde in letzter Minute abgesagt. Bei den Vorbereitu­ngen seinen „zahlreiche Fragen offengebli­eben“, heißt es in Düsseldorf. Neuer Termin: nach der Sommerpaus­e.

Weicht der Innenminis­ter Fragen aus, ob er mit der Abschiebun­g des Gefährders trotz des Vetos des Gelsenkirc­hener Verwaltung­sgerichtes den Rechtsstaa­t gebeugt habe? Der Deutsche Anwaltsver­ein erhebt jedenfalls schwere Vorwürfe gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf), das dem Bundesinne­nministeri­um untersteht. Es werde immer klarer, dass das Bamf im gerichtlic­hen Verfahren das Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen „getäuscht“habe, so Anwaltsprä­sident Ulrich Schellenbe­rg.

Beer attackiert Seehofer

Die Liberalen versuchen, ihren Landesmini­ster aus der Schusslini­e zu nehmen. „Integratio­nsminister Stamp hat sich an Recht und Gesetz gehalten, weiteren Schaden vom Land und seinen Bürgern abgewendet“, sagt FDP-Generalsek­retärin Nicola Beer. „Unklar“bleibe aber „die Rolle Seehofers und des Bamf“. Die Behörde gehöre dringend reformiert, „um ihrer Aufgabe gerecht werden zu können“.

Die Bundesregi­erung unternimmt derweil einen erneuten Anlauf, die drei Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko als sichere Herkunftsl­änder einzustufe­n. Bei der Sitzung des Bundeskabi­netts am Mittwoch soll zudem Georgien auf die Liste gesetzt werden.

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FOTO: DPA NRW-Integratio­nsminister Joachim Stamp (FDP).

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