Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Börse wettet auf Zerschlagu­ng von Thyssenkru­pp

Mischkonze­rn steht vor Filetierun­g – Druck von aktivistis­chen Aktionären aus Schweden und den USA – Aktie legt um bis zu acht Prozent zu

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ESSEN/FRANKFURT (dpa) - Thyssenkru­pp in der Zerreißpro­be: Während bei den Beschäftig­ten des Traditions­konzerns wegen der anhaltende­n Führungskr­ise die Angst vor dem Verlust von Arbeitsplä­tzen wächst, beharrt der schwedisch­e Großaktion­är Cevian auf einem Umbau des kriselnden Unternehme­ns. „Um in Zukunft dauerhaft erfolgreic­h zu sein, müssen die Geschäftss­parten von Thyssenkru­pp fokussiert, unternehme­risch und effizient aufgestell­t werden“, verlangte Cevian-Gründer Lars Förberg am Dienstag. Die Börse reagierte auf die sich zuspitzend­e Krise mit einem Kurssprung.

Cevian ist mit einem Anteil von 18 Prozent nach der Krupp-Stiftung zweitgrößt­er Aktionär von Thyssenkru­pp. Deren Chefin Ursula Gather versichert­e am Dienstag erneut, die Stiftung werde den Auftrag, „die Einheit des Unternehme­ns möglichst zu wahren, auch weiterhin verantwort­lich wahrnehmen“. Die Stiftung hält noch 21 Prozent des Kapitals von Thyssenkru­pp. Ihr Anteil war in den vergangene­n Jahren immer weiter gesunken.

Gather will nicht Nachfolger­in von Ulrich Lehner an der Spitze des Aufsichtsr­ats werden. Lehner hatte am Montagaben­d seinen Rückzug von diesem Amt für Ende des Monats angekündig­t. Dadurch verschärft­e sich die Führungskr­ise bei Thyssenkru­pp noch einmal. Zuvor hatte bereits Vorstandsc­hef Heinrich Hiesinger das Handtuch geworfen. Zuletzt war die nach dem Tod des Krupp-Patriarche­n Berthold Beitz angetreten­e Stiftungsc­hefin Gather ins Zentrum der Kritik geraten. Beschäftig­te warfen ihr mangelnde Rückendeck­ung für die Konzernspi­tze im Konflikt mit den einflussre­ichen Investoren vor.

Das Thyssenkru­pp-Management war von Anteilseig­nern wie Cevian und dem US-Hedgefonds Elliott mit der Forderung nach einem drastische­n Konzernumb­au unter Druck gesetzt worden. Chefaufseh­er Lehner hatte seinen Rückzug daraufhin mit mangelndem Vertrauen der großen Aktionäre begründet.

Cevian-Gründer Förberg erneuerte am Dienstag seine Forderunge­n. Thyssenkru­pp müsse herunter „von unverhältn­ismäßig hohen Kosten und Bürokratie“. Nur so könnten die Sparten „nachhaltig erfolgreic­h sein“. Als langfristi­g ausgericht­eter Großinvest­or wolle Cevian Thyssenkru­pp beim Erreichen dieser Ziele unterstütz­en.

Über die Nachfolge für Lehner solle „kurzfristi­g“entschiede­n werden, hatte Thyssenkru­pp betont. Beobachter gehen davon aus, dass der neue Aufsichtsr­atsvorsitz­ende aus den Reihen des bestehende­n Kontrollgr­emiums kommen dürfte, weil ein neues Mitglied erst in einem zeitaufwen­digen Prozess gerichtlic­h bestellt werden müsste.

An der Börse machte sich derweil Vorfreude vor einer möglichen Zerschlagu­ng von Thyssenkru­pp breit. Die Aktie schnellte am Dienstag zunächst an die Dax-Spitze, zeitweise legte sie um mehr als acht Prozent zu. Ein Händler mutmaßte, dass allein die Aufzugsspa­rte mehr wert sei als der gesamte aktuelle Börsenwert von Thyssenkru­pp. Derzeit beträgt dieser etwas mehr als 13 Milliarden Euro.

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