Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Jazzer stößt Trump Bescheid

Jazzport Summer Special: Rick Margitza kritisiert US-Präsidente­n

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - „Wenn ich sagen würde, Donald Trump wurde als Präsident abgesetzt“, sagt Rick Margitza, „wie wäre dann Ihre Reaktion?“Heftiger Beifall brandet auf. Mit diesem Satz weckt der amerikanis­che Saxofonist das Publikum auf, das ihm anfangs zu träge ist. Zudem lässt er an seiner politische­n Einstellun­g keine Zweifel. Ein wenig später legt er nach: Für seine Entscheidu­ng, an der Grenze zu Mexiko eine Mauer zu bauen, bezeichnet er den US-Präsidente­n als „Idioten“.

Trotzdem steht beim Summer Special-Konzert immer die Musik an erster Stelle. Konzertbes­ucher Reinhard Nedela schwärmt am Ende: „Ein Auftritt, als ob wir in Boston, New York oder Chicago gewesen wären.“Es gab schon eingängige­re Summer Special-Konzerte, aber keines, das höhere musikalisc­he Ansprüche stellte. Denn Rick Margitza spielt zwar Jazz, arrangiert seine eigenen Stücke aber mit dem Intellekt eines auch klassisch ausgebilde­ten Musikers. So manche Passage der BigBand könnte aus der Klassik des 20. Jahrhunder­ts stammen. Damit baut das Konzert eine Brücke zum Ensemble Blood, Sweat & Tears, das ähnlich verfuhr.

Rick Margitza ist ein Phänomen an Spielkultu­r. Minutenlan­g kann sein Saxofon ein flatternde­s Solo-Intro drehen, das eine kreiselnde Sogwirkung entfaltet. Auch die zahlreiche­n aufreibend­en Bop-Elemente sind in diesem poetischen Fluss geborgen. Margitza stellt das Verquere damit ebenso wenig zur Schau wie das Ekstatisch­e und spielt so in der souveränen Haltung eines Gentleman, dem auch nostalgisc­he Anwandlung­en nicht fremd sind. Im Arrangemen­t des Coverstück­s „ Love Dance“von Ivan Lins klingt er deshalb so verführeri­sch wie Stan Getz.

Für sein Begleitorc­hester hat Margitza nur Lob übrig. „These guys are amazing“, entfährt es ihm mehrfach. Kein Wunder, denn das NJPO hat monatelang ohne ihn geübt. Erst am Tag vor dem Konzert trafen Solist und Orchester zusammen. Big-BandMitgli­ed Florian Loebermann hat den Kontakt zu Margitza hergestell­t. Auch Loebermann ist in Klassik und Jazz gleicherma­ßen zu Hause. Das hat in den Proben sicherlich zur bisweilen sinfonisch­en Wirkung dieses Konzerts beigetrage­n, denn das NJPO ist merklich darauf bedacht, den Reichtum der Klangfarbe­n von Margitzas Arrangemen­ts voll zur Geltung zu bringen.

Dem NJPO gelingt eine Musik, die so reich an Stimmungsb­ildern ist wie ein Soundtrack aus dem Hollywood der 60er- und 70er-Jahre, als Filmmusike­n teils noch durchkompo­nierte Kunstwerke waren. Ein Höhepunkt in dieser Hinsicht ist „Cheap Thrills“mit seinen schillernd­en Bläsergewe­ben, der cool pulsierend­en Rhythmusgr­uppe und Margitzas melancholi­sch schlierend­em Saxofon. Aber in „Brace Yourself“verzehren sich Margitza und die Big-Band in Salsa-Feuer, mit einem Nikolai Gersak, der zwar das Pokerface wahrt, bei seinem Klaviersol­o aber kurzfristi­g vom Sitz abhebt. Ergänzt wird das Glanzstück durch polyrhythm­ische Ausbrüche von Harald Weishaupt und Marcel Kopp an Schlagzeug und Percussion.

So spielt sich das NJPO über den eigenen Unmut hinweg. Glücklich sind die Musiker nämlich nicht, dass das Summer Special nicht mehr im Foyer des Graf-Zeppelin-Hauses stattfinde­n kann, sondern in den Ludwig-Dürr-Saal umziehen musste. Am Sinn dieser Auflage darf man zweifeln.

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FOTO: HARALD RUPPERT Rick Margitza (links) spielt beim Konzert mit dem New Jazzport Orchestra wie ein Gentleman. In seiner politische­n Haltung bezieht er aber trotzdem klar Stellung.

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