Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Attac kämpft für den Einzelhand­el

Aktion mit den Buchhandlu­ngen Fiederer und Ravensbuch kritisiert Amazon & Co.

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Buchhandlu­ngen Fiederer und Ravensbuch mit leeren Schaufenst­ern. Damit wollen Jo Schober und Karl Ludwig Biggel zeigen, was passiert, wenn alle nur noch im Internet einkaufen. „Irgendwann haben wir tote Städte“, sagt Biggel. Um ein Zeichen für den regionalen Handel zu setzen, wollen sie die Fenster der beiden Häfler Buchhandlu­ngen am Samstag, 28. Juli, zum Teil abkleben. Denn dann informiere­n sie von 10 bis 13 Uhr über die ganz legalen Machenscha­ften der Internet-Riesen, die auf Kosten des Allgemeinw­ohls gehen. „Der Staat braucht Steuern, aber Unternehme­n wie Amazon nutzen Lücken in den Steuergese­tzen aus.“

Nach Informatio­nen von Attac hat Amazon in Deutschlan­d jahrelang nur einen Steuersatz von 8 Prozent anstatt der üblichen 29 Prozent bezahlt und dadurch bis zu 180 Millionen Euro eingespart. Eine Sonderbeha­ndlung, die Biggel ärgert: „ Die Großen dürfen keine Vorteile gegenüber den kleinen Einzelhänd­lern haben“, sagt er. Auch, dass Amazon für seine Pakettrans­porte kostenlos das vom Steuerzahl­er finanziert­e deutsche Straßennet­z nutzt, hält er für unfairen Wettbewerb.

Retouren werden weggeworfe­n

Jo Schober kommt auf die Ressourcen­verschwend­ung zu sprechen, die der Onlinehand­el mit sich bringt: Die aufwendige­n Verpackung­en für die einzelnen Artikel, die auch in einzelnen Touren geliefert werden. Ganz zu schweigen von den zurückgesa­ndten Waren: „Die Verbrauche­r lassen sich immer stärker mehrere Sachen zur Auswahl schicken. Was sie nicht wollen, schicken sie zurück. Und Amazon wirft diese Waren zum Teil weg. Das ist etwas ganz Perverses.“Dann sind da noch die zweifelhaf­ten Arbeitsbed­ingungen in den Auslieferu­ngszentren: Berichte schlecht bezahlter Mitarbeite­r, die bis ins Letzte überwacht werden, gingen durch die Medien.

Nur auf die Stellschra­uben des Staates zu setzen, greift zu kurz. Die Tettnanger Attac-Gruppe appelliert deshalb an das Verantwort­ungsgefühl der Konsumente­n. „Es kann nicht sein, dass man sich beim regionalen Händler informiert und die Sachen dann im Internet bestellt. Es geht um Arbeitsplä­tze vor Ort“, sagt Karl Ludwig Biggel. Für ihn ist der Kauf in der eigenen Umgebung ohnehin attraktive­r: „Im Internet kann ich mir ein Buch zwar ansehen. Aber in der Buchhandlu­ng kann ich es auch in die Hand nehmen, habe Beratung, treffe Leute und kann mich mit ihnen austausche­n.“Beiden geht es nicht nur um den Buchhandel, sondern generell um die Angebote des Einzelhand­els, der es immer schwerer hat. Nicht zuletzt mit ihm steht und fällt die Lebensqual­ität in einer Stadt.

Die Attac-Gruppe legt vor den Buchhandlu­ngen Flugblätte­r aus, die über die Missstände informiere­n. Darüber hinaus wollen sie aber auch aktiv etwas für die Attraktivi­tät des Einzelhand­els tun. Deshalb haben sie ein Maskottche­n gebaut, den „Lesewurm“: Er wandert am Samstag von 10 bis 13 Uhr öffentlich­keitswirks­am zwischen den Buchhandlu­ngen Ravensbuch und Fiederer hin und her. Eltern, die während der Aktion einkaufen wollen, können ihre Kinder in beiden Buchhandlu­ngen in Obhut geben: Der Rezitator Timmo Strohm stellt ihnen Bücher für das Lesealter zwischen sechs und zwölf Jahren vor. Er liest daraus in der Buchhandlu­ng Fiederer von 11 bis 12.30 Uhr sowie in der Buchhandlu­ng Ravensbuch von 15 bis 16.30 Uhr. Die Teilnahme ist frei, die Kinder sind beaufsicht­igt. Eltern, die ihre Kinder abholen wollen, werden gebeten, sich vorher beim Personal zu melden.

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FOTO: HARALD RUPPERT „Irgendwann haben wir tote Städte“: Karl Ludwig Biggel (links) und Jo Schober von der Attac-Gruppe Tettnang kritisiere­n Online-Riesen wie Amazon.

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