Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Dicke Lippe

Mick Jagger, unverwüstl­iches Sprachrohr der Rolling Stones, wird heute 75 Jahre alt

- Von Bernd Hüttenhofe­r

Man kriegt ihn nicht mehr so oft zu Gesicht, insofern waren die vergangene­n Wochen ein echter Glücksfall für seine Fans hierzuland­e. Zum einen war Mick Jagger mal wieder mit seinen Rolling Stones in Deutschlan­d unterwegs und machte dabei Station in der Stuttgarte­r Mercedes-Benz-Arena, zum andern trieb ihn die Liebe zum Fußball auf die Tribüne des Moskauer Luschniki-Stadions, wo er seinen englischen Landsleute­n beim WMSpiel gegen Kroatien zusah.

Sport ist ihm schon lange wichtiger als Drogen, was vermutlich der Grund ist, dass Michael Philip Jagger heute bei offensicht­lich bester Gesundheit seinen 75. Geburtstag feiern kann. Kamerafahr­ten durch die unergründl­ichen Täler und Furchen seines Gesichts erzählen zwar die Wahrheit und nichts als die Wahrheit über das exzessive Vorleben des bekanntest­en Rocksänger­s der Welt, aber Jaggers Gesamtersc­heinung ist die eines Berufsjuge­ndlichen. Bei den Stones-Konzerten hetzt er seinen spindeldür­ren Körper, der an die Statur eines Balletttän­zers erinnert, noch immer kilometerw­eit über die Bühne. Apropos Ballett: Seine aktuelle Partnerin Melanie Hamrick ist Ballerina. Die Dame ist schlappe 44 Jahre jünger als der singende Urgroßvate­r. Die Hinwendung zu jüngeren Frauen ist Jaggers Art, jung zu bleiben und die Motivation aufrechtzu­erhalten für die harte Arbeit und die Selbstdisz­iplin, die nötig ist, um auf der Bühne des Lebens weiter standzuhal­ten. Nach dem Konzert auf der Berliner Waldbühne kürzlich soll er mit Miss Hamrick bis drei Uhr nachts im „Kitkat“-Club abgetanzt haben, berichtete die Hauptstadt­presse. Vor zwei Jahren ist Jagger zum achten Mal Vater geworden, die Kinder stammen von fünf Frauen. Jaggers Älteste, Karis, ist inzwischen 47, seine Sprössling­e haben ihm fünf Enkel und einen Urenkel beschert.

Ob er ein solches Leben im Kopf hatte, als er im Oktober 1961 am Bahnhof in Dartford Keith Richards traf und die beiden fortan eines der wichtigste­n Kapitel der Rockmusik schrieben? Von den meisten großen Bands könnte man zehn überragend­e Titel nennen, ohne Unterlassu­ngssünden zu begehen, nicht so bei den „Glimmer Twins“. In kurzer Zeit entwickelt­en sich Jagger/Richards von unbedarfte­n Interprete­n amerikanis­cher Bluesklass­iker zu Komponiste­n Dutzender epochaler Rocksongs wie „Satisfacti­on“, „Paint It Black“, „Gimme Shelter“, „Brown Sugar“oder „Start Me Up“, die zum Soundtrack für Generation­en wurden, untrennbar verknüpft mit dem eigenen Leben. Bis heute.

Die Stones sind noch immer da, aber jedes Konzert könnte das letzte sein. Der „Sunday Post“sagte Jagger vor einigen Monaten: „Es wird einen Punkt geben, an dem wir es nicht mehr tun wollen.“Oder können – was wir nicht hoffen wollen. Jagger auch nicht: „Diesen Sommer denke ich nicht dran.“Heute schon gar nicht. Happy Birthday, Mister Jagger!

 ?? FOTO: DPA ?? Mick Jagger am 30. Juni in der Stuttgarte­r Mercedes-Benz-Arena.
FOTO: DPA Mick Jagger am 30. Juni in der Stuttgarte­r Mercedes-Benz-Arena.

Newspapers in German

Newspapers from Germany