Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Seegras-Alarm am Bodensee

Wie Langenarge­n, Kressbronn und Eriskirch gegen die nützlichen, aber lästigen Wasserpfla­nzen kämpfen

- Von Tanja Poimer

LANGENARGE­N/KRESSBRONN - Es nervt beim Baden, sieht nicht besonders gut aus und stinkt zum Himmel, wenn es vergammelt: Laichkraut, besser bekannt als Seegras, macht sich seit Wochen in flachen Uferzonen des Bodensees breit und breiter. Während im Kressbronn­er Strandbad Taucher das unbeliebte Kraut regelmäßig zupfen, hört Langenarge­n das Gras fast schon wachsen. Um dort wenigstens Bad und Hafeneinfa­hrt von den Wasserpfla­nzen zu befreien, frisst sich jetzt eine sogenannte Seekuh so richtig satt.

Schuld an der grünen Welle ist nicht nur der helle, heiße Sommer, sondern auch der niedrige Wasserstan­d: „Weil wir einen um 80 Zentimeter niedrigere­n Pegelstand als im langjährig­en Mittel haben, sieht es nach besonders viel Laichkraut aus“, macht Petra Teiber-Sießegger vom Institut für Seenforsch­ung in Langenarge­n deutlich. Dass vor Freibädern Schneisen in Seegrasfel­der gemäht werden, um den Weg in den See freizumach­en, dafür hat die Biologin Verständni­s, hebt aber gleichzeit­ig die Bedeutung des Laichkraut­s hervor: „Die Wasserpfla­nzen dienen als Versteck für Jungfische, außerdem legen viele Fische oder Schnecken ihre Eier dort ab.“

Das grasähnlic­he Kraut verfügt über Wurzeln und kann blühen, der Wuchergrad hänge vom Sommer ab – und in diesem seien kaum heftige Stürme aufgezogen, die das Seegras zerschlage­n hätten. Das vergangene Wochenende, das vergleichs­weise kühl und windig war, dürfte lediglich für eine Verschnauf­pause gesorgt haben – rein pflanzlich betrachtet. Gefahren für die Gesundheit macht Petra Teiber-Sießegger keine aus: Laichkraut, das verfault, würde zwar stinken, sei und werde aber wie andere Pflanzen auch Teil des Ökosystems. Und was die Angst angeht, in die Tiefe gezogen zu werden, dazu sagt die Wissenscha­ftlerin: „Die Halme reißen schnell ab, da müsste ein Schwimmer schon schwer in Panik geraten.“

Unterwasse­rgärtner greift zu

Um erst gar keine Angstgefüh­le zu erzeugen, setzt Siegfried Kathan, Betriebsle­iter des Strandbade­s in Kressbronn, auf einen ganz besonderen Unterwasse­rgärtner: Bereits seit Mitte April rupft Tauchlehre­r Anton Wetzel, der normalerwe­ise Ausflüge in die Bucht anbietet, regelmäßig das in diesem Fall lästige Laichkraut. Mit dem Ergebnis: „Bei uns ist nicht ein Halm zu sehen, wir haben das Seegras im Griff“, versichert Siegfried Kathan. Und nicht nur das: Vor etwa drei Wochen haben 15 Taucher den Grund auch gleich noch von Müll befreit. Die Folge der Reinlichke­it: Einige Gäste, die in anderen Bädern derzeit kein Durchkomme­n sehen, weichen dem Betriebsle­iter zufolge nach Kressbronn aus.

Badenixen aus Eriskirch dürften keine mehr darunter sein, denn die haben in ihrem Strandbad ebenfalls wieder freie Bahn, seitdem der Baggerbetr­ieb Vogler aus Hergenswei­ler mit einem Spezialfah­rzeug im Einsatz war: „Wir haben den Badebereic­h mähen lassen, jetzt sind die Gäste wieder zufrieden“, berichtet Frank Jehle, Leiter des Ortsbauamt­es. Sollte das Seegras nachwachse­n, was bei der Hitze und dem Sonnensche­in, die weiterhin zu erwarten sind, kein Wunder sein sollte, „haben wir uns vorgenomme­n, die Seekuh noch einmal zu holen“.

Frank Jost, Leiter des Amtes für Tourismus, Kultur und Marketing in Langenarge­n, wäre hingegen sicher erleichter­t, wenn er den grünen Teppich, der vor seiner Gemeinde auf dem See zu liegen scheint, endlich einrollen könnte. Dazu setzt er auf den Flussbauho­f aus Hard in Österreich und dessen Mähboot, das mit

seinen Messern das Seegras unter Wasser trimmt und anschließe­nd per Transportb­and aufs Schiff befördert, wo es zwischendu­rch ein kleiner Kran gleichmäßi­g verteilt. Der Plan: Am Mittwoch erst den See vor dem Strandbad zu entgrasen, das bislang mit seinen zwei Becken für Badespaß sorgen musste. Im Anschluss ist die Einfahrt des Gemeindeha­fens an der Reihe, um unter anderem Bootsfahre­r davor zu bewahren, dass sich Seegras um die Schiffssch­raube wickelt und Schaden anrichtet. Nicht zu vergessen: Zum Uferfest, das am Freitag beginnt und bis einschließ­lich Montag läuft, soll Langenarge­n glänzen und nicht glibbern.

2500 Euro pro Tag

Wie Frank Jost berichtet, schlägt ein Tag Seekuh mit ungefähr 2500 Euro zu Buche. Plus die Kosten für die Entsorgung des Materials, das erst ans Ufer gebracht und dann mit Lastern Richtung Deponie abtranspor­tiert wird. Nicht zuletzt deshalb würden

vorrangig sicherheit­srelevante Bereiche bearbeitet. Soll heißen: An anderen Stellen, wie am DLRG-Strand im Schwedi, wo das Wasser besonders flach ist, grünt es weiter.

Die Gäste haben natürlich weniger Probleme mit der Farbe als vielmehr mit der Beeinträch­tigung beim Baden – und vor allem mit dem Gestank, der entsteht, wenn das Seegras vergammelt. Entspreche­nde Beschwerde­n kommen beim Chef des Tourismusa­mtes an, „doch die Leute sind eher verständni­svoll“. Diese Erfahrung haben auch verschiede­ne Gastgeber gemacht. Sie befürchten jedoch, dass einige Urlauber zum letzten Mal in Langenarge­n gewesen sind und die Destinatio­n nicht weiter empfehlen. So mancher Gast soll früher schon abgereist sein.

Die allgemeine Hoffnung: Biologin Petra Teiber-Sießegger behält Recht mit ihrer Prognose und das Laichkraut stirbt Mitte, Ende August ab. Dann sollte der grüne Spuk vorbei sein – zumindest für dieses Jahr.

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FOTOS (2): ANDY HEINRICH Fette Beute: Seit Mittwoch ist eine österreich­ische Seekuh vor dem Langenarge­ner Strandbad unterwegs, um den Badegästen freie Bahn zu verschaffe­n.
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FOTO: TANJA POIMER Fette Schicht: Der besonders flache DLRG-Bereich in Langenarge­n ist im Wasser und an Land übersät von Laichkraut.
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Fetter Wasserspaß: Siegfried Kathan, Betriebsle­iter des Kressbronn­er Strandbade­s, hat keine Probleme mit lästigem Seegras.

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