Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Angeklagter soll während U-Haft gestanden haben
Mordfall Zech: Zellennachbar hat Angst und sagt trotzdem aus – Rolle des ominösen dritten Täters bleibt unklar
LINDAU/KEMPTEN - Fast drei Stunden dauert die Vernehmung des Mannes, der gemeinsam mit dem Hauptangeklagten im Mordfall Zech im Gefängnis saß. Ihm soll der 37Jährige gestanden haben, dass er Anfang März 2017 in das ehemalige Bahnwärterhäuschen in Zech eingebrochen ist und dessen Bewohner erwürgt hat. Unklar bleibt, welche Rolle der ominöse dritte Mittäter namens Adrian spielt. Es könnte sein, dass er den Brand gelegt hat. Während seiner Vernehmung betonte der Zeuge immer wieder, dass er Angst habe. Denn sowohl er als auch seine Lebensgefährtin seien von Mitgliedern der rumänischen Bettlergruppe bedroht worden.
„Es nähert sich niemand dem Zeugen, es bedroht niemand den Zeugen“, mahnt Richter Gunther Schatz, Vorsitzender Richter der Schwurgerichtskammer in Kempten, als der Zeuge um eine Pause bittet. Denn der Mann, ebenfalls Rumäne, fühlt sich in der Gegenwart der beiden Angeklagten und deren Angehörigen im Zuschauerraum unwohl. Der Grund: Bereits vor zwei Monaten sollen drei rumänische Männer nach ihm gesucht haben, nach Prozessbeginn vergangene Woche seien Männer zu seiner Freundin gefahren, hätten nach ihm gefragt und die Tür angespuckt.
Der Zeuge war eine Zeit lang gemeinsam mit dem Angeklagten in der JVA in Kempten untergebracht gewesen. Die Beziehung der beiden begann, weil er dem 37-Jährigen heimlich Tabak geschenkt hatte. Irgendwann seien Polizisten ins Gefängnis gekommen und hätten dem Zeugen das Fahndungsplakat des Angeklagten gezeigt – auf den auch die 5000Euro-Belohnung ausgeschrieben war. „Ich habe gefragt, ob ich helfen kann“, sagt der Zeuge. Mit seinem Angebot habe er auf eine frühere Haftentlassung und, später vielleicht, auf die 5000-Euro-Belohnung spekuliert.
In Aussicht gestellt worden sei ihm dies aber nie, das betonte der Zeuge mehrmals. Ebenso wenig wie das Geld für Zigaretten und Lebensmittel, das ihm später überwiesen wurde. „Ich habe danach gefragt, aber der Polizist hat gesagt, er weiß nicht, ob das geht“, erklärt der Rumäne über seine Dolmetscherin. Die Anwälte der beiden Angeklagten hatten zu Prozessbeginn beantragt, die Aussagen des Zeugen nicht als Beweis zuzulassen. Ihr Argument: Die Polizei soll ihn mit der Aussicht auf Geld und Haftentlassung beeinflusst haben. Der Zeuge betont am Dienstag mehrmals, dass das nicht stimme.
Irgendwann habe der Angeklagte dann von der Tat erzählt: Er habe in der Nacht mit einem gewissen Adrian und seinem Cousin, der ebenfalls auf der Anklagebank sitzt, zusammengearbeitet. „Adrian war der, der die Objekte ausgewählt hat“, erklärt der Zeuge. Das alte Bahnwärterhäuschen hätten sich die Männer, die Einbruchdiebstahl als ihren „Job“bezeichnen, ausgesucht, weil sie dort viele elektronische Geräte vermuteten.
Die Täter dachten, es sei niemand in dem Gebäude
Und weil sie dachten, dass dort keiner zu Hause sei. „Er hat mir erzählt, dass er nicht hingegangen ist, um jemanden umzubringen. Sie wollten nur einbrechen“, sagt der Zeuge. Als der 76-jährige Rentner sie überrascht habe, seien die Täter erschrocken. „Er hat erzählt, er hat ihn mit der Faust geschlagen.“Ob es der Angeklagte oder Adrian war, der das Opfer dann erwürgt hatte, das kann der Zeuge am Dienstag nicht mehr genau sagen. Dafür gibt er Einblick in die Psyche des Angeklagten. „Er hat über die Tat gesprochen, als habe er sich ein paar Adidas-Schuhe gekauft.“Dem ominösen Adrian habe der Angeklagte die Schuld dafür gegeben, dass sie erwischt worden seien. Denn dieser habe das Feuer gelegt.
Auch von seinem 27-jährigen Cousin, der wegen versuchten schweren Bandendiebstahls mit auf der Anklagebank sitzt, soll der Angeklagte gesprochen haben. „Er war der mit dem Führerschein, er ist gefahren.“Allerdings habe sich der Angeklagte nach seiner Verhaftung von seinem Cousin im Stich gelassen gefühlt. In einem Brief an eine weitere Verwandte habe er gedroht, den 27Jährigen zu verpfeifen, wenn er kein Geld ins Gefängnis geschickt bekommt.
Wohl ist es dem Zeugen nicht zumute, als die drei Stunden seiner Vernehmung um sind. „Was passiert jetzt mit mir?“, fragt er. „Ich habe wahnsinnige Angst.“