Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Kulturufer braucht mehr Platz
Das Festival ist ein enges Pflaster – Programmpunkte müssen wegen Lärm aufeinander abgestimmt sein
Das Festival ist ein enges Pflaster und stößt an seine Grenzen.
FRIEDRICHSHAFEN - „Kommt doch alle näher an die Bühne“, sagt Jakob Bruckner. Er spielt mit seiner Band in der Musikmuschel und ruft die Menschentraube nicht nur deshalb näher zu sich heran, weil er auf Tuchfühlung gehen will: „Da hinten kommt niemand mehr durch.“Ein paar Meter weiter das gleiche Problem: Ein Straßenkünstler zeigt seine Show und die rundum stehenden Zuschauer lassen keinen Durchgang mehr. Auf der einen Seite begrenzt der Absperrzaun des großen Zelts, gegenüber davon das Geländer der Promenade, und an einer dritten die eh schon reduzierten Bierbänke der Gastronomie Zehrer. Das Kulturufer ist ein schönes, aber enges Pflaster. Es stößt an seine Grenzen, braucht schlichtweg mehr Platz.
Ausdehnung in Richtung GZH
Seitens der Straßenkünstler wurde in der Vergangenheit gemurrt, dass der Kunsthandwerkermarkt gewachsen ist und damit Auftrittsmöglichkeiten geschwunden seien. Wäre eine Reduzierung des Markts also die Lösung? Schwerlich – der Kunsthandwerkermarkt hat sich durch eine gute Auswahl der vertretenen Händler und Handwerker zur Attraktion gemausert, von der das Kulturufer profitiert. Damit bleibt die Option, in die andere Richtung zu wachsen, dem GZH entgegen. Auf einem Teil der Uferstraße, der vom Seehasenfest seit Jahr und Tag genutzt wird. Zur Anmeldung dieses Platzbedarfs wäre jetzt die rechte Zeit, denn die Neukonzeption des Uferparks ist noch im Gange und wird ohnehin veränderte Raumverhältnisse schaffen. Die Stadtverwaltung sieht auf Anfrage der SZ keinen unmittelbaren Veränderungsbedarf. „Dass zu bestimmten Zeiten ein Durchkommen schwer ist, gibt es bei jedem Festival. Kritische Situationen gab es aus unserer Sicht aber nicht.“Grundsätzlich wäre eine räumliche Erweiterung aber denkbar. „Ob diese tatsächlich zum Konzept passt, werden wir prüfen.“
Es gibt aber auch ein Problem mit der Lautstärke. Dass die Bausteine des Kulturufers wegen der Enge so stark ineinander greifen, macht den Charme des Festivals aus. Sie beeinträchtigen einander aber auch. Wenn abends die Zelte bespielt werden, können davor die Straßenkünstler nicht auftreten. Das war bisher schon nicht ideal und könnte es mit Blick auf die Zukunft noch weniger sein – denn seit diesem Jahr ist der Straßenkunst-Bereich erstmals kuratiert. Dadurch soll die Qualität steigen und das bedeutet wiederum, dass das Straßentheater mehr Publikum bekommen dürfte. Eine Ausweitung in Richtung GZH könnte für die Straßenkünstler Ausweichmöglichkeiten schaffen.
Besonders schwierig ist die Lage im Dreieck Großes Zelt / Musikmuschel / Open-Air-Kino. Hier treffen die Programme des Kulturbüros und des Jugendzentrums Molke aufeinander. Am späten Nachmittag und abends kann die Abstimmung schwierig sein. Kompromissbereitschaft ist vorhanden, aber trotzdem wäre die Molke bei ihren Konzerten in der Musikmuschel gern weniger eingegrenzt. Wenn im Großen Zelt um 20 Uhr das Licht angeht, sollte in der Musikmuschel Ruhe sein – vor allem, wenn es im Zelt eher leise zugeht. Allerdings kommt das Kulturbüro der Molke auch entgegen: An beiden Samstagen beginnt das Programm im großen Zelt erst um 21 Uhr. So ist für die Molke eine Stunde mehr drin. Und am gestrigen Samstag konnte bis 22 Uhr gespielt werden, weil Wincent Weiss im Großen Zelt selbst mit ordentlicher Lautstärke antrat und das Konzert der Molke seinen Auftritt nicht störte. Es ist also verständlich, dass sich die Molke im Großen Zelt mehr laute Konzerte wünscht. Aber kann eine allgemeine Steigerung der Lautstärke beim Kulturufer die Lösung sein? Jedermanns Sache wäre das nicht. Bei der Molke sähe man es auch gern, wenn das Open-Air-Kino nicht schon um 21.30 Uhr begänne, sondern erst um 22 Uhr. Dann wäre mehr Spielzeit drin. Aber für manchen Filmfreund dürfte das zu spät sein. Dass die Veranstaltungen wegen der Nähe der Spielorte zeitlich aufeinander abgestimmt sein müssen, hat allerdings nicht nur Nachteile. Darauf weist die Stadt hin. „Das hat den positiven Effekt, dass das Kulturufer zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten immer etwas zu bieten hat.“