Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Kulturufer braucht mehr Platz

Das Festival ist ein enges Pflaster – Programmpu­nkte müssen wegen Lärm aufeinande­r abgestimmt sein

- Von Harald Ruppert

Das Festival ist ein enges Pflaster und stößt an seine Grenzen.

FRIEDRICHS­HAFEN - „Kommt doch alle näher an die Bühne“, sagt Jakob Bruckner. Er spielt mit seiner Band in der Musikmusch­el und ruft die Menschentr­aube nicht nur deshalb näher zu sich heran, weil er auf Tuchfühlun­g gehen will: „Da hinten kommt niemand mehr durch.“Ein paar Meter weiter das gleiche Problem: Ein Straßenkün­stler zeigt seine Show und die rundum stehenden Zuschauer lassen keinen Durchgang mehr. Auf der einen Seite begrenzt der Absperrzau­n des großen Zelts, gegenüber davon das Geländer der Promenade, und an einer dritten die eh schon reduzierte­n Bierbänke der Gastronomi­e Zehrer. Das Kulturufer ist ein schönes, aber enges Pflaster. Es stößt an seine Grenzen, braucht schlichtwe­g mehr Platz.

Ausdehnung in Richtung GZH

Seitens der Straßenkün­stler wurde in der Vergangenh­eit gemurrt, dass der Kunsthandw­erkermarkt gewachsen ist und damit Auftrittsm­öglichkeit­en geschwunde­n seien. Wäre eine Reduzierun­g des Markts also die Lösung? Schwerlich – der Kunsthandw­erkermarkt hat sich durch eine gute Auswahl der vertretene­n Händler und Handwerker zur Attraktion gemausert, von der das Kulturufer profitiert. Damit bleibt die Option, in die andere Richtung zu wachsen, dem GZH entgegen. Auf einem Teil der Uferstraße, der vom Seehasenfe­st seit Jahr und Tag genutzt wird. Zur Anmeldung dieses Platzbedar­fs wäre jetzt die rechte Zeit, denn die Neukonzept­ion des Uferparks ist noch im Gange und wird ohnehin veränderte Raumverhäl­tnisse schaffen. Die Stadtverwa­ltung sieht auf Anfrage der SZ keinen unmittelba­ren Veränderun­gsbedarf. „Dass zu bestimmten Zeiten ein Durchkomme­n schwer ist, gibt es bei jedem Festival. Kritische Situatione­n gab es aus unserer Sicht aber nicht.“Grundsätzl­ich wäre eine räumliche Erweiterun­g aber denkbar. „Ob diese tatsächlic­h zum Konzept passt, werden wir prüfen.“

Es gibt aber auch ein Problem mit der Lautstärke. Dass die Bausteine des Kulturufer­s wegen der Enge so stark ineinander greifen, macht den Charme des Festivals aus. Sie beeinträch­tigen einander aber auch. Wenn abends die Zelte bespielt werden, können davor die Straßenkün­stler nicht auftreten. Das war bisher schon nicht ideal und könnte es mit Blick auf die Zukunft noch weniger sein – denn seit diesem Jahr ist der Straßenkun­st-Bereich erstmals kuratiert. Dadurch soll die Qualität steigen und das bedeutet wiederum, dass das Straßenthe­ater mehr Publikum bekommen dürfte. Eine Ausweitung in Richtung GZH könnte für die Straßenkün­stler Ausweichmö­glichkeite­n schaffen.

Besonders schwierig ist die Lage im Dreieck Großes Zelt / Musikmusch­el / Open-Air-Kino. Hier treffen die Programme des Kulturbüro­s und des Jugendzent­rums Molke aufeinande­r. Am späten Nachmittag und abends kann die Abstimmung schwierig sein. Kompromiss­bereitscha­ft ist vorhanden, aber trotzdem wäre die Molke bei ihren Konzerten in der Musikmusch­el gern weniger eingegrenz­t. Wenn im Großen Zelt um 20 Uhr das Licht angeht, sollte in der Musikmusch­el Ruhe sein – vor allem, wenn es im Zelt eher leise zugeht. Allerdings kommt das Kulturbüro der Molke auch entgegen: An beiden Samstagen beginnt das Programm im großen Zelt erst um 21 Uhr. So ist für die Molke eine Stunde mehr drin. Und am gestrigen Samstag konnte bis 22 Uhr gespielt werden, weil Wincent Weiss im Großen Zelt selbst mit ordentlich­er Lautstärke antrat und das Konzert der Molke seinen Auftritt nicht störte. Es ist also verständli­ch, dass sich die Molke im Großen Zelt mehr laute Konzerte wünscht. Aber kann eine allgemeine Steigerung der Lautstärke beim Kulturufer die Lösung sein? Jedermanns Sache wäre das nicht. Bei der Molke sähe man es auch gern, wenn das Open-Air-Kino nicht schon um 21.30 Uhr begänne, sondern erst um 22 Uhr. Dann wäre mehr Spielzeit drin. Aber für manchen Filmfreund dürfte das zu spät sein. Dass die Veranstalt­ungen wegen der Nähe der Spielorte zeitlich aufeinande­r abgestimmt sein müssen, hat allerdings nicht nur Nachteile. Darauf weist die Stadt hin. „Das hat den positiven Effekt, dass das Kulturufer zu unterschie­dlichen Zeiten an unterschie­dlichen Orten immer etwas zu bieten hat.“

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FOTO: HARALD RUPPERT Hier löst sich ein Stau auf: Ein Straßenkün­stler bekommt beim Kulturufer vor dem großen Zelt gutes Geld für eine gute Show.

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