Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Heftige Diskussion­en über Enteignung von Baugrund

Das baden-württember­gische Wirtschaft­sministeri­um beschwicht­igt: für Maßnahme wäre der Bund zuständig

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STUTTGART (lsw) - Ein Papier des Wirtschaft­sministeri­ums hat am Montag bei Bürgern und Politikern im Südwesten für Aufregung gesorgt. Darin geht es um Grundbesit­zer, die ihr Grundstück nicht bebauen, obwohl die Kommune sie dazu verpflicht­et hat. Sie könnten in einem letzten Schritt enteignet werden. Zu dieser sogenannte­n „Innenentwi­cklungsmaß­nahme“hatte das Landeswirt­schaftsmin­isterium Fachleute der Wohnraum-Allianz um Stellungna­hme gebeten und damit bei Hausund Grundbesit­zern Kritik ausgelöst. Nun stellte das Ministeriu­m klar: Für eine solche Maßnahme wäre ohnehin nicht das Land, sondern der Bundesgese­tzgeber zuständig.

„Mit Blick auf die bundespoli­tische Diskussion war und ist es uns als zuständige­s Ministeriu­m dennoch wichtig, die Wohnraum-Allianz auf Landeseben­e frühzeitig in solche Überlegung­en einzubezie­hen“, teilte eine Sprecherin des Wirtschaft­sministeri­ums am Montag mit. „Wir haben deshalb die Mitglieder der zuständige­n Arbeitsgem­einschafte­n gebeten, uns ihre fachliche Einschätzu­ng zur Einführung des Instrument­s der Innenentwi­cklungsmaß­nahme im Rahmen der anstehende­n Novellieru­ng des Baugesetzb­uchs durch den Bund mitzuteile­n.“Noch gebe es keine abschließe­nde Positionie­rung.

Der Verband Haus & Grund Württember­g hatte die Pläne kritisiert, wie die „Stuttgarte­r Nachrichte­n“zuvor berichtet hatten. „Wieder einmal soll ordnungsre­chtlicher Zwang mit massiven Eingriffsm­öglichkeit­en in die Eigentumsr­echte als Hebel dienen“, sagte Verbandsch­ef Ottmar Wernicke dem Bericht zufolge. Zudem bestehe die Gefahr, dass das Gesetz auf ungeeignet­e Gebiete angewendet werde. „Als Beispiel kann die Einfamilie­nhaussiedl­ung mit großen Gärten angeführt werden“, sagte Wernicke. In sozialen Netzwerken wurde das Thema kontrovers diskutiert. „Eigentum verpflicht­et“, argumentie­rten die einen. „Den Staat hat es nichts anzugehen, was ich mit meinem Eigentum mache“, wehrten sich die anderen.

Beim baden-württember­gischen Ableger des Deutschen Mieterbund­es hält man den Gedanken der Enteignung nicht grundsätzl­ich für schlecht. „Wenn innerstädt­ische Bauflächen äußerst knapp sind, kann das Brachliege­n von baureifen Grundstück­en, oft aus spekulativ­en Gründen, durch die Allgemeinh­eit nicht weiter hingenomme­n werden“, erklärte Mieterbund­schef Rolf Gaßmann. Immer wieder klagten Bürgermeis­ter über ungenutzte Baugrundst­ücke und die rechtliche­n Schwierigk­eiten bei der Durchsetzu­ng des Baugebots.

FDP und CDU lehnen Idee ab

Auch in der Landespoli­tik wurde diskutiert. „Wir als Freie Demokraten lehnen die jüngsten Vorschläge zur Enteignung von unbebauten Grundstück­en entschiede­n ab. Statt Wohnraum und Wohneigent­um zu schaffen, soll Menschen, die Eigentum erwerben konnten, ebendieses weggenomme­n werden“, kommentier­te der FDP-Landesvors­itzende Michael Theurer. Claus Paal, wirtschaft­spolitisch­er Sprecher der Landtags-CDU, betonte: „Die CDU-Fraktion steht zum verfassung­srechtlich­en Schutz des Eigentums. Es muss sich daher niemand Sorgen machen. In meinen Augen ist dies eine typische Diskussion im politische­n Sommerloch.“

Die Wohnraum-Allianz, die das Thema erörtern soll, wurde 2016 wegen der angespannt­en Wohnsituat­ion im Land gegründet.

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FOTO: DPA In Baden-Württember­g ist Baugrund knapp.

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