Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Drei fliegen raus

Flughafen München rechnet nach Panne mit Millionens­chaden – Sicherheit­sleute von Aufgaben entbunden

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MÜNCHEN (dpa) - Chaos mit Konsequenz­en: Nach der folgenschw­eren Panne am Flughafen München hat die staatseige­ne Sicherheit­sfirma drei Mitarbeite­r von ihren Kontrollau­fgaben entbunden. Der Schaden des Vorfalls geht in die Millionen.

Allein der zweitgrößt­e Flughafen Deutschlan­ds selbst rechne nach ersten Schätzunge­n mit Kosten im unteren einstellig­en Millionenb­ereich, sagte Airportche­f Michael Kerkloh. Wie hoch der Schaden für die Fluggesell­schaften ist, blieb zunächst unklar. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) und Lufthansa-Chef Carsten Spohr sehen dringenden Handlungsb­edarf.

Eine 40 Jahre alte Frau war am Samstag unkontroll­iert durch eine Sicherheit­sschleuse gelangt. Die Bundespoli­zei räumte daraufhin das Terminal 2 und das sogenannte Satelliten-Terminal. 330 Flüge wurden abgesagt, insgesamt 31 121 Passagiere waren bis Sonntag betroffen. Selbst von Sonntag auf Montag hätten noch 250 Menschen am Flughafen übernachte­t, sagte Kerkloh.

Nach Angaben der Regierung von Oberbayern war bei der 40-Jährigen während einer ersten Kontrolle eine nicht zulässige Flüssigkei­t in einem Kosmetikko­ffer beanstande­t worden. Die Frau habe diesen nachträgli­ch als Reisegepäc­k aufgegeben. Danach passierte sie laut Mitteilung erneut die Schleuse – ohne jedoch nochmals kontrollie­rt zu werden.

Die zuständige Kraft der staatseige­nen Sicherheit­sgesellsch­aft am Flughafen München (SGM) war in diesem Moment durch ein Gespräch mit Kollegen an der Kontrollst­elle 11/ 12 abgelenkt. Eine andere Sicherheit­skraft habe den Fauxpas bemerkt und Kollegen gebeten, die Reisende zurückzuho­len. Diese war aber nicht mehr auffindbar.

Wie sich erst am Samstagnac­hmittag unter anderem nach einer Auswertung der Bordkarten­leser und Kameraaufz­eichnungen herausstel­lte, hatte die Frau bei der Räumung des Airports schon im Flieger gesessen. Nähere Angaben zu der 40Jährigen und ihrem Ziel machte die Pressespre­cherin nicht. „Aus derzeitige­r vorläufige­r Sicht sehen wir insbesonde­re keinen Raum für ein strafrecht­liches Vorgehen gegenüber der Passagieri­n“, hieß es. Die Prüfung sei aber noch nicht abgeschlos­sen.

20 000 Gepäckstüc­ke zurückgela­ssen

Gerade diese Ereignisse zeigten deutlich, wie anfällig und sensibel das System auf Störungen reagiere, sagten Scheuer und Spohr nach einem Gespräch über aktuelle Herausford­erungen in der Luftfahrtb­ranche.

Flughafenc­hef Kerkloh rechnet damit, dass der Schaden für den Airport eher bei einer als bei vier Millionen Euro liege. Die Summe setzt sich unter anderem aus Start- und Landegebüh­ren, Einnahmen für die Abfertigun­g sowie Ausfällen bei der Gastronomi­e im geräumten Bereich zusammen. Nun werde die Haftungsfr­age geklärt. Laut Maria Dalhaus, der geschäftsf­ührenden Prokuristi­n von Terminal 2, wird geprüft, ob und an wen Schadenser­satzforder­ungen gestellt werden können.

Das vergangene Wochenende gehörte Kerkloh zufolge zu den verkehrsre­ichsten des Jahres. Es sei ein großes Glück gewesen, dass die Fluggäste die Situation so gelassen aufgenomme­n hätten. „Für die betroffene­n Passagiere wird ein Entgegenko­mmen überlegt.“Die Fluggäste mussten rund 20 000 Koffer und Gepäckstüc­ke zurücklass­en. Etwa die Hälfte davon sei schon wieder auf dem Weg zu den Besitzern, sagte Kerkloh.

Kritik an Informatio­nspolitik

Dalhaus sagte, die Belüftungs­anlagen im Terminal 2 seien am Samstag wegen der hohen Außentempe­raturen und der vielen Menschen im Check-in-Bereich an ihre Grenzen gelangt. Die Feuerwehr hatte mit Großlüfter­n Frischluft ins Gebäude geblasen. 50 Mitarbeite­r der Flughafenf­euerwehr sowie etwa 140 Mitarbeite­r von Rettungsdi­ensten aus dem Umland waren im Einsatz, wie der Leiter der Unternehme­nssicherhe­it am Flughafen, Alexander Borgschulz­e, sagte.

52 Menschen wurden laut Kerkloh medizinisc­h versorgt, vier kamen in Krankenhäu­ser. Mitarbeite­r hätten Zehntausen­de Wasserflas­chen und Essensguts­cheine ausgegeben. Kritik an der Informatio­nspolitik des Flughafens entgegnete der Airportche­f, gesicherte Informatio­nen seien sofort veröffentl­icht worden – per Lautsprech­erdurchsag­en und auch über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter.

Betroffene Passagiere können sich mit finanziell­en Forderunge­n an die Lufthansa wenden, die hauptsächl­ich vom Terminal 2 aus fliegt. Ein Unternehme­nssprecher verwies auf die EU-Fluggastre­chteverord­nung.

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