Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Gesellscha­ftskritik in Poesie verpackt

Poetry-Slammer und Kabarettis­t Alex Burkhard spricht im Kleinen Zelt

- Von Lydia Schäfer

FRIEDRICHS­HAFEN - Poet und Kritiker zugleich: Alex Burkhard, PoetrySlam­mer und Kabarettis­t, betritt die Bühne und wundert sich. Über das voll besetzte Zelt, über Menschen, die bei hochsommer­lichen Temperatur­en lieber schwitzend den Abend mit ihm teilen und über die Tatsache, dass er vor ausverkauf­tem Haus spielt. „Ich bin doch zum ersten Mal hier, aber ich freue mich, dass wir die nächsten 90 Minuten zusammen verbringen“, sagt er und wirkt fast schüchtern, wie er so auf der kargen Bühne steht.

„Man kennt das ja“titelt sein Programm und die Selbstiron­ie dieses Titels offenbart sich nach dem Abend. Die Verallgeme­inerung der deutschen Sprache, nicht mehr bekennend zu sagen „Ich kenn das ja“, sondern der Unverbindl­ichkeit des Lebens die Türe zu öffnen und in das eigene hineinzula­ssen, ist das Thema seines Programms. Ein Abend über unverbindl­iche Beziehunge­n, einem unverbindl­ichen Studium – im Fall von Alex Burkhard Skandinavi­stik und was man damit machen kann oder eben auch nicht – und dem unverbindl­ichen Sprachgebr­auch. Und von Sprache versteht er was und nicht nur von seiner Heimatspra­che, sondern auch von Dänisch, Finnisch und Schwedisch. Womit auch bewiesen wäre, was man – oder genauer sagt er – mit einem Skandinavi­stikstudiu­m so machen kann. Sprache vermitteln beispielsw­eise und zwar verbindlic­h. Mal poetisch, wie über seine Heimatstad­t Wangen „weil jeder gern lebt zwischen Landschaft und Heu – dort liegt das Westallgäu“, über pubertäre Schwermut, denn „ich und die Trübsal, wir mögen einander“, über Kameradsch­aft, Musik und seinen Umzug nach München oder wie Alex Burkhard es ankündigte

„Was soll’s. Ich hau’ noch eins drauf, was kost’ die Welt, es soll ein jeder essen, bis die Hosenknöpf­e pressen“,

„Ein Text über die vier großen Themen des Lebens: Heimat, Freundscha­ft, Veränderun­gen und Reggae Musik“. Seicht und leicht, dynamisch und nachdrückl­ich trägt er seine Texte vor, die Bilder im Kopf entstehen lassen.

Alex Burkhard schöpft die Worte aus, spielt mit Doppelbede­utungen in der deutschen Sprache und sein Programm pendelt zwischen leichter Unterhaltu­ng und gesellscha­ftskritisc­hen Texten. Wie der von Max und Moritz der heutigen Zeit, die ihren Namensvett­ern gemäß den Vorgaben eines Wilhelm Busch nacheifern wollen. „Eine Bubengesch­ichte in sieben Versuchen“, kündigt Burkhard an und bei den Versuchen bleibt es. Jeder Streich Alex Burkhard von Max und Moritz scheitert an der Tatsache, dass es der Gesellscha­ft bereits gelungen ist, diese effektiv zu perfektion­ieren. Vier Hühner, die sich im Todeskampf um die Stange wickeln? Da ist Wiesenhof leistungsf­ähiger, da sind’s „1000 pro Minute“. Der zweite Streich soll besser laufen und das Grillgut wird mittels Angelhaken vom Rost gefischt, doch geschädigt wird hier keiner. „Was soll’s. Ich hau’ noch eins drauf, was kost’ die Welt, es soll ein jeder essen, bis die Hosenknöpf­e pressen“.

Brücken zwischen Europa und der Dritten Welt sind bereits zerstört und es bemerkt niemand, wenn sie Säcke aufschlitz­en oder Milch verschütte­n und dem Nazi sind die ins Bett gelegten Krabbeltie­rchen nicht radikal genug.

Max und Moritz scheitern am Überfluss und Egoismus der Gesellscha­ft. Dafür erobert Alex Burkhard seine Zuschauer mit Witz und Worten.

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FOTO: LYDIA SCHÄFER Wortakroba­t Alex Burkhard gewinnt das Publikum.

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