Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
40-Jähriger mit Knast-Karriere angeklagt
Nach Feuer in St. Jodok in Ravensburg beginnt im September der Prozess gegen den mutmaßlichen Brandstifter
RAVENSBURG - Wenn Pfarrer Hermann Riedle die katholische Kirche St. Jodok betritt, ist die Katastrophe vom 10. März allgegenwärtig. „Den Brandgeruch hat man in der Nase“, sagt Riedle. Ein Feuer, das wohl ein 40-jähriger Mann gelegt hatte, zerstörte damals das linke Seitenschiff. Am 10. September beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Brandstifter. Mit einem Urteil wird Ende Oktober gerechnet. Die Reinigungsund Sanierungsarbeiten in der Kirche werden aber wohl noch Monate dauern.
Am Landgericht Ravensburg wird der Fall voraussichtlich an acht Verhandlungstagen aufgerollt. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben und wirft dem 40-Jährigen schwere Brandstiftung in der Kirche St. Jodok vor. Der Angeklagte leugnet aber, etwas mit dem Brand zu tun zu haben, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft mitteilte. Die Frage nach seinem Motiv könne bislang nicht beantwortet werden. Der Mann sitzt seit 20. März in Untersuchungshaft.
Er ist der Behörde zufolge nach eigenen Angaben spiel-, alkohol- und kokainabhängig. Auch vor diesem Hintergrund soll ein Gutachter klären, inwieweit der Angeklagte schuldfähig ist. Bei Polizei und Justiz ist der 40-Jährige längst bekannt: „Der Angeklagte ist vielfach vorbestraft, im Wesentlichen wegen Eigentumsund Vermögensdelikten, nicht jedoch wegen Brandstiftung“, so die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Er habe schon mehrere Jahre im Gefängnis gesessen. Im Fall einer Verurteilung wegen schwerer Brandstiftung droht ihm eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren.
Ein zweiter, allerdings weniger schwerer Vorwurf kommt hinzu: versuchte schwere Brandstiftung in Tateinheit mit Sachbeschädigung. Die Staatsanwaltschaft hält den Angeklagten auch für den Brandstifter, der am selben Tag in einer Kirche in Schlier eine Stellwand angezündet hat. Der Brand erlosch von alleine wieder.
Pfarrer Riedle: Kirchen sollen offen bleiben
Für Pfarrer Riedle ist es auch im Rückblick „schon beängstigend“, dass in zwei Kirchen am selben Tag Brände gelegt wurden. Seine Erinnerung ist noch frisch: Am Telefon erfuhr er vom Brand, eilte los. Erst dachte er, dass es lediglich im Gebäude brennt. „Mir war die Dimension erst mal nicht klar.“Bald sah er aber, dass die Flammen schon am Dach des nördlichen Seitenschiffes nagten. „Ich konnte es erst mal nicht fassen.“Immerhin habe die Feuerwehr verhindert, dass die Flammen aufs Hauptschiff übergriffen. Von einem glimpflichen Ausgang will er aber nicht sprechen. „Der Schaden ist hoch genug.“Er beträgt laut Polizei und Staatsanwaltschaft rund zwei Millionen Euro.
Pfarrer Riedle wird die vor rund 630 Jahren eingeweihte St.-JodoksKirche frühestens 2019 wiedereröffnen können, wie er selbst sagt. Im linken Kirchenschiff, wo es gebrannt hat, wurde das von den Flammen durchlöcherte Dach laut Riedle zwar bereits saniert und wieder eingedeckt. Trotzdem ist noch viel zu tun: Als Nächstes ziehen Fachleute seinen Angaben zufolge eine neue Holzdecke ein. Danach werde ein anderes Gerüst aufgebaut, um Wände zu reinigen und zum Teil abgeplatzten Putz wieder anzubringen.
In der übrigen Kirche sind Wände und Decken bereits sauber gemacht und müssen nur noch neu gestrichen werden. Auch die Reinigung der Orgel steht noch an, die nach Riedles Einschätzung ein Vierteljahr dauern könnte. Und: „Der Elektriker muss noch alle Leitungen untersuchen“, sagt der Pfarrer. Welche Schäden der Brand am Stromnetz angerichtet hat, sei noch völlig unklar.
Derzeit ist eine Nutzung der Kirche undenkbar. Die Gottesdienste finden zurzeit in der Liebfrauenkirche statt, die auch zur Gemeinde gehört. Trotz der Brandstiftung will Riedle, dass Kirchen grundsätzlich offen bleiben. Er geht von einer seltenen Einzeltat aus.