Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wenn Helfen zur Straftat wird
Auszubildende setzt sich gegen Kriminalisierung von Seenotrettung ein und ruft zur Seebrücken-Demo auf
Auszubildende setzt sich gegen Kriminalisierung von Seenotrettung ein.
FRIEDRICHSHAFEN - Zoe hat Leben gerettet. Mehrere Wochen war sie auf einem Schiff vor der libyschen Küste unterwegs und hat Menschen in Seenot vor dem Ertrinken bewahrt. Doch nun ermittelt die italienische Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Unterstützung von illegaler Migration nach Italien gegen sie. Bei einer Demo möchte Zoe nun ihre Stimme erheben.
Zoe macht eine Ausbildung zur Bootsbauerin in FriedrichshafenSeemoos. Ihren gesamten Jahresurlaub 2017 hat die 22-Jährige auf der Iuventa, dem Schiff von „Jugend rettet“verbracht. Die Organisation rettet Menschen, die im Mittelmeer in Seenot geraten sind.
Für Zoe war das Leben auf dem Wasser keine neue Erfahrung. Sie hat laut eigenen Schilderungen seit Kindertagen viel Zeit auf Booten verbracht, weil ihr Vater sie mitgenommen hat. Als sie älter wurde, begann sie ihre eigenen Erfahrungen zu sammeln. „Ich habe meine Trainer-Lizenz gemacht und so das Fahren von Motorbooten gelernt. Damit hatte ich die besten Voraussetzungen, das kleine Motorboot der Iuventa zu steuern“, schreibt sie in einer E-Mail.
Das tat sie für einige Wochen, um Flüchtlinge zu retten. „Ein paar Wochen nachdem ich wieder in Deutschland war und mich wieder im Alltag zurecht gefunden hatte, schaute ich Nachrichten und war sehr erstaunt, als ich mich dort sah“, schreibt sie. Das sogenannten Beweisvideo zeige sie, wie sie ein angeblich leeres Holzboot zurück zur libyschen Küste schleppe und mit einem Schlepper auf Arabisch spreche. Dieser Mann sei aber ein Engine-Fisher (Menschen, die Flüchtlingsboote überfallen, um die Motoren zu klauen) gewesen, berichtet Zoe.
Gegen 22 Helfer wird ermittelt
Nun gehört Zoe zu den 22 Seenotrettern, gegen die die italienische Staatsanwaltschaft ermittelt. Für die 22-Jährige ist der Tatvorwurf nicht nachvollziehbar. „Da sterben Menschen an unseren sogenannten Außengrenzen, während darüber diskutiert wird, wer sie sind und wohin sie wollen. Das darf doch keine Rolle spielen, wenn es darum geht, sie vor dem Ertrinken zu retten“, sagt sie. Zoe hat Menschen vor dem Ertrinken bewahrt – das sieht das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen in Artikel 98 vor. Dort ist die Pflicht zur Seenotrettung – auch seitens privater Schiffe – festgeschrieben. Als Führerin des Sicherungsboots habe sie also nüchtern betrachtet nur Gesetze befolgt. „Es hat meine Sicht auf die Rechtsstaatlichkeit Europas verändert, was ich erlebt habe und jetzt erlebe“, sagt sie.
Viele Vorurteile im Raum
Wenn sie mit Leuten in Friedrichshafen rede, merke sie oft, dass viele sehr wenig Hintergrundwissen haben. „Dadurch werden zum Beispiel auch die Vorwürfe, die gegen ,Jugend rettet’ erhoben wurden, in die Welt herausgetragen“, sagt sie. Eigentlich habe sich Zoe vorgenommen, nicht in die Öffentlichkeit zu treten. Doch in Zeiten von Wortschöpfungen wie „Asyltourismus“möchte sie das ändern. Sie ruft deshalb zu einer Seebrücke-Demonstration gegen die Kriminalisierung von Seenotrettung, für sichere Häfen und für Menschenrechte auf. „Es geht hier um Grundund Menschenrechte“, sagt sie. Zoe hofft auf eine rege Teilnahme aus allen Bevölkerungsschichten.
Die Seebrücken-Demo findet am Samstag, 4. August, statt. Treffpunkt ist der Buchhornplatz um 15.30 Uhr. Es wird Kundgebungen und Musik geben.