Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Kaffee und Mangos für eine gerechtere Welt
Fairhandelsgenossenschaft kauft seit 30 Jahren Produkte von Kleinbauern rund um den Globus
RAVENSBURG - Die Gründer der Genossenschaft dwp waren als „Alternativlinge“verschrien, als sie sich vor genau 30 Jahren am 29. Juli in Ravensburg für die Realisierung ihrer Idee des fairen Handels zusammenschlossen. Inzwischen hat die Idee den Weg in die Mitte der Gesellschaft gefunden. Lebensmittel mit Fairhandels-Siegeln stehen sogar bei Discountern im Regal. Und das, obwohl die Geschichte einem prominenten Zeitzeugen zufolge mit miserablem Kaffee begann.
Auf dem Hof der dwp – „Die Weltpartner“– in der Hinzistobler Straße kitzelt eine wilde Mischung von Gerüchen die Nase der Besucher. Gewürze, vor allem Zimt, stechen hervor. Im Hochregallager stapeln sich Paletten voller Kisten mit gut 1000 verschiedenen Produkten. dwp gilt heute als zweitgrößter Importeur fair gehandelter Produkte BadenWürttembergs, geschlagen nur von einem großen Discounter, wie Geschäftsführer Thomas Hoyer sagt.
Aus Ravensburg werden seinen Angaben zufolge 700 der 800 Weltläden in Deutschland beliefert. „Die Weltpartner“machten laut Hoyer im Geschäftsjahr, das am 30. Juni 2018 endete, einen Umsatz von gut 11,1 Millionen Euro – vier Prozent mehr als im Vorjahr – und voraussichtlich circa 50 000 Euro Gewinn (Zahl noch vorläufig, da noch ungeprüft).
Der Fairhandelsmarkt in Deutschland ist laut Hoyer inzwischen auf einen jährlichen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro angestiegen. „Wir sind klein“, sagt er mit Blick auf die gewachsene Branche. Für Hoyer ist aber wichtig, was hinter den abstrakten Kennzahlen steckt: dwp erreiche 50 000 Familien in aller Welt, die durch die Handelsbeziehung ein „gutes und regelmäßiges Einkommen“haben, so Hoyer. Für das Kilo Kaffee zahle dwp den Bauern derzeit das Doppelte des Weltmarktpreises. Hoyer hält den fairen Handel für das wichtigste Mittel zur Vermeidung wirtschaftlicher Fluchtursachen.
Angefangen hat 1988 alles mit Kaffeeimporten. Die Qualität war im Rückblick miserabel. Man habe sich die Magenschleimhäute damit ruinieren können, scherzte BadenWürttembergs Sozialminister Manne Lucha (Grüne), als er diese Woche dwp besuchte. Auch den Genossenschaftlern wurde trotz ihres Idealismus schnell klar, dass niemand allein aus Solidarität oder gar Mitleid mit armen Bauern ihren Kaffee kauft – „sollen die Leute auch nicht“, sagt Geschäftsführer Thomas Hoyer. „Sie sollen Produkte kaufen, die sie lecker finden.“Deshalb habe dwp in den vergangenen 30 Jahren vor allem an der Qualitätsschraube gedreht. Beispielsweise indem in Burundi eine Verarbeitungsanlage für Kaffee eingerichtet wurde, damit die Bohnen nicht mehr von jedem Bauern irgendwo in der Sonne getrocknet werden. Heute wird fairgehandelter Kaffee in Rathäusern und Ministerien getrunken und in Cafés beworben. Kaffee ist nach Mangos von den Philippinen das Produkt, mit dem die Weltpartner den meisten Umsatz machen.
Ravensburger gelten als Pioniere
In der Szene gelten die Ravensburger als Pioniere. „dwp zeigt, dass Entwicklungszusammenarbeit auch profitabel sein kann“, lobt der geschäftsführende Vorstand der Stiftung Entwicklungszusammenarbeit Baden-Württemberg, Philipp Keil. Besonders der Burundi-Kaffee sei interessant, weil es sich dabei um das einzige Produkt handelt, das aus dem ostafrikanischen Land exportiert wird. Dass fair gehandelte Produkte im Mainstream angekommen sind, ist aus Hoyers Sicht vor allem ein Verdienst der vielen Weltläden in Deutschland. „Das war der Anfang des höheren Bekanntheitsgrades“, sagt Hoyer. „Es ist „in“, fair einzukaufen.“Hinzugekommen sei, dass Fairhandelsgenossenschaften nicht nur bessere Qualität anbieten als noch in den 1980er-Jahren, sondern auch professioneller arbeiten. Früher sei es auch mal vorgekommen, dass ein bestimmtes Produkt drei Monate lang ausverkauft war, erinnert sich Hoyer. Außerdem sei die Vielfalt der fair gehandelten Produkte gestiegen.
Die Weltpartner wachsen. Sie planen, 2019 in ein neues und größeres Domizil umzuziehen, und investieren dafür 4,9 Millionen Euro. dwp will die Zeit nutzen, in der die Verbraucher so offen wie noch nie für die Idee des fairen Handels sind. Als Mitglied des Forums Fairer Handel veranstaltet die Genossenschaft die bundesweite Faire Woche in der zweiten Septemberhälfte mit. Thema ist „Fair handeln, Klima schützen“. Auch in Ravensburg wird es in Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Wirtschaftsforum Aktionen geben.
Politik zeigt Interesse.
Beim Besuch des Sozialministers Lucha mit den Staatssekretärinnen Theresa Schopper aus dem Staatsministerium und Petra Olschowski aus dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst wurde deutlich, dass auch die Politik an einer Zusammenarbeit mit den Ravensburger Weltpartnern interessiert ist, etwa wenn es darum geht, die Verbindung Baden-Württembergs zum Partnerland Burundi zu gestalten – derzeit liegen die Aktivitäten der Landesregierung wegen der schwierigen politischen Situation dort auf Eis.
Aber Hoyer hat den Politikern schon viele Ideen für das ostafrikanische Land präsentiert. Wenn die Bauern dort wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen, da ist sich Hoyer mit den Politikern einig, bringe das auch einen ersten Funken Demokratie in das Land.