Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Als ein Sturm das LZ 4 aus der Verankerun­g riss

Am Sonntag, 5. August, jährt sich die Katastroph­e von Echterding­en zum 110. Mal

- Von Siegfried Großkopf

FRIEDRICHS­HAFEN - Geglückte Landung des LZ 4 am 4. August und das Inferno tags darauf am 5. August 1908 bei Echterding­en: Der in Weingarten geborene und in Ravensburg aufgewachs­ene Josef Deppler, der in Immenstaad seinen Ruhestand genoss, hat die Zeppelin-Katastroph­e damals als Journalist für die damalige Südwestdeu­tsche Illustrier­te Wochenzeit­ung aus unmittelba­rer Nähe erlebt. Seine Tochter hat der Schwäbisch­en Zeitung den reichen Fundus der Berichters­tattung ihres verstorben­en Vaters rechtzeiti­g zum 110. Jahrestag überlassen.

Das neue LZ 4, das am 20. Juli 1908 erstmals in Friedrichs­hafen abhob, war seinen Vorgängern in Größe, Steuerungs­vorrichtun­g, Passagierr­aum und Motorenkra­ft (210 PS) weit überlegen. Am 4. August sollte es seine erste große 24-StundenFah­rt über Süddeutsch­land unternehme­n. Und der erste Teil dieser Fahrt verlief auch reibungslo­s. In den ersten sechs Vormittags­stunden erreichte der 136 Meter lange Silberries­e den Rhein, hinab bis nach Straßburg, machte eine Zwischenla­ndung auf dem Rhein bei Oppenheim und fuhr in der Nacht über Mainz und Mannheim auf Stuttgart zu. Überall waren die Menschen auf den Beinen, Dörfer und Städte waren erfüllt vom tiefen Brummen der Daimler-Motoren.

Hilfe beim Landemanöv­er

Plötzlich versagte über den Fildern einer der Motoren. Der Graf und seine Verantwort­lichen entschloss­en sich zu einer Notlandung auf einer Acker- und Wiesenfläc­he zwischen dem Dorf und der Nachbargem­einde Bernhausen bei Echterding­en. Es wurde die erste Landung auf festem Boden. Sie war geglückt. Das Schiff wurde verankert und Graf Zeppelin begab sich nach Echterding­en. Mittlerwei­le waren Tausende Menschen zum Landeplatz geeilt. Viele halfen beim Landemanöv­er. Alles schien gut. Nach der Motoren-Reparatur, so glaubte man, würde das LZ 4 in Echterding­en wieder aufsteigen können. ANZEIGE Doch es kam ganz anders: Urplötzlic­h setzte ein starkes Gewitter ein, Sturmböen peitschten über die Filder-Hochebene, das Luftschiff wurde aus seiner Verankerun­g gerissen und abgetriebe­n. Dabei streifte es einen Baum und geriet in Brand. Stichflamm­en schlugen gen Himmel und innerhalb weniger Minuten war der Zeppelin nur noch ein rauchender Trümmerhau­fen. Statt nach geplanten 450 Kilometern endete der 24Stunden-Flug nach 120 Kilometern – in einer Katastroph­e.

Für Graf Zeppelin bedeutete das Unglück in mehrfacher Hinsicht eine Katastroph­e: Die Reichsregi­erung hatte ihre Unterstütz­ung für das Zeppelin-Unternehme­n vom erfolgreic­hen 24-Stunden-Flug des LZ 4 abhängig gemacht. Er selbst hatte bereits sein ganzes Vermögen dem Luftschiff­bau geopfert. Und: Kurz zuvor hatte er LZ 2 bei Kißlegg verloren.

Es bedurfte der spontan eingeleite­ten „Echterding­er Volksspend­e“, an der sich nicht nur „das Schwabenvo­lk“, sein König und ganz Deutschlan­d beteiligte, sondern auch viele Spender aus dem Ausland. Alle stellten sich hinter den Grafen, und in kürzester Zeit standen über sechs Millionen Mark zur Fortführun­g seines Lebenswerk­s bereit. So wurde der Unglücksta­g von Echterding­en zugleich ein Glückstag für den Grafen Zeppelin und seiner Männer. Von nun an war der schon 70 Jahre alte Graf aller wirtschaft­lichen Nöte enthoben und konnte seine Aufgabe und sein Werk weiterführ­en.

Die Stadt Echterding­en, die bei der Einweihung des Gedenkstei­ns am 24. Oktober 1908 den ersten Chefingeni­eur des zerstörten Luftschiff­es, Ludwig Dürr, die Ehrenbürge­rschaft verlieh, pflegt seit dieser Zeit die kleine, auch heute noch mitten in den Feldern gelegene Gedenkstät­te, baute eine Graf-Zeppelin-Schule, errichtete einen Zeppelin-Platz und eine Zeppelinst­raße. Am Ortsrand gibt es ein Hotel namens Zeppelin.

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ARCHIVFOTO­S: SIG Die Katastroph­e von Echterding­en: LZ 4 brannte total aus. Glückliche­rweise kamen keine Menschen zu Schaden.
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Josef Deppler berichtete für die Südwestdeu­tsche Illustrier­te Wochenzeit­ung und war nah dran am Geschehen von Echterding­en.

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