Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Deutscher Export behauptet Stellung
Kein Anlass zu Euphorie – IWF-Chefvolkswirt kritisiert Überschüsse
WIESBADEN (dpa) - Getragen von der Nachfrage in Europa bleiben Deutschlands Exporteure trotz internationaler Handelskonflikte auf Erfolgskurs. Im ersten Halbjahr gingen Waren „Made in Germany“im Wert von 662,8 Milliarden Euro in alle Welt. Das waren 3,9 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mitteilte. „Der deutsche Außenhandel hat ein starkes erstes Halbjahr 2018 hingelegt“, sagte der Präsident des Außenhandelsverband BGA, Holger Bingmann.
Trotz der guten Zahlen zeigte sich Bingmann besorgt: „Allerdings wird uns das eruptive und eskalative Handeln von US-Präsident Trump wohl noch öfter die Sprache verschlagen – mit unkalkulierbaren Folgen für die Weltwirtschaft.“Kritisch äußerte sich der BGA-Präsident zu den am Dienstag wieder in Kraft getretenen US-Sanktionen gegen den Iran. Als Folge sei ein Rückgang in den Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und dem Iran zu befürchten. Donald Trump hatte andere Staaten davor gewarnt, mit der islamischen Republik Handel zu treiben.
Mit einem Plus von 5,4 Prozent besonders deutlich stiegen im ersten Halbjahr die Ausfuhren in die Länder der Europäischen Union. Europa ist der wichtigste Absatzmarkt für „Made in Germany“. „Die gute Weltkonjunktur und auch die Nachfrage in der EU stützen die deutschen Ausfuhren“, erläuterte der Außenwirtschaftsexperte des Deutschen Industrieund Handelskammertages (DIHK), Kevin Heidenreich.
BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang warnte jedoch: „Die Exportzahlen dürfen nicht über die bestehenden Risiken im globalen Handel hinwegtäuschen. Der Zollstreit zwischen den USA und China, unter dem auch deutsche Unternehmen leiden, droht zu eskalieren.“Jetzt komme es umso mehr darauf an, die Welthandelsorganisation WTO zu stärken.
Die ersten deutschen Konzerne bekommen die Verwerfungen bereits zu spüren. So hatte der Autobauer Daimler seine Gewinnprognose gesenkt, weil China in dem Konflikt mit Washington Zusatzzölle auf in den USA gebaute Autos erhebt. VW-Chef Herbert Diess erklärte jüngst, eine drohende Eskalation im Handelsstreit zwischen den USA, China und der EU sorge für Herausforderungen.
Im Geschäft mit den USA zeigten sich Bremsspuren des Handelskonflikts zwischen Washington und der Europäischen Union (EU). Die Ausfuhren auf den wichtigsten Einzelmarkt für Waren aus Deutschland stiegen trotz eines starken Juni-Wertes im ersten Halbjahr lediglich um 0,8 Prozent. Die Exporte nach China wuchsen hingegen um 10,3 Prozent.
Trotz einer Annäherung ist der Streit zwischen der EU und den USA noch nicht ausgestanden. Zugleich spitzt sich der Konflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt zu. Das könnte auch deutsche Firmen treffen, die in China produzierte Waren in die USA ausführen. China ist gemessen am Handelsvolumen – Importe und Exporte – der wichtigste Einzelmarkt für den deutschen Außenhandel.
Rüffel vom IWF
Noch stärker als die Exporte legten nach einem Rekordwert im Juni die Importe zu. Sie stiegen in den ersten sechs Monaten um 4,8 Prozent auf 541,3 Milliarden Euro. Auch wenn das Importplus gewachsen ist, bleibt der Exportüberschuss Deutschlands in der ersten Jahreshälfte damit sehr hoch und schlägt mit 121,5 Milliarden Euro zu Buche.
Das stößt seit langem international auf Kritik. Politiker wie Volkswirte fordern immer wieder, Deutschland müsse seine hohen Exportüberschüsse verringern. Zuletzt wies der Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF), Maurice Obstfeld, Deutschland wegen seines anhaltend großen Handelsdefizits eine Mitschuld für wachsende Krisengefahren und Handelskonflikte in der Welt zu. In einem Beitrag für die Zeitung „Die Welt“schrieb Obstfeld, in Deutschland mit seinem „unverhältnismäßigen“Leistungsbilanzüberschuss gebe es „allenfalls zaghafte Maßnahmen, den Überschüssen entgegenzuwirken“.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erklärte, der Leistungsbilanzüberschuss sei „nicht politisch angeordnet“. Er entstehe, „weil Kunden überall auf der Welt sich für deutsche Qualitätsprodukte entscheiden“, sagte Vizehauptgeschäftsführer Volker Treier der „Welt“.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sprach sich für eine Stärkung der privaten Nachfrage aus. Die Tarifbindung müsse „deutlich erhöht“und der Niedriglohnsektor zurückgedrängt werden, sagte DGBChef Reiner Hoffmann der Zeitung.