Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Vor 150 Jahren geboren

Vor 150 Jahren, am 10. August 1868, wurde Hugo Eckener geboren

- Von Harald Ruppert

Anlässlich des Geburtstag­es von Hugo Eckener lesen Sie seine Geschichte.

FRIEDRICHS­HAFEN - Wer war Hugo Eckener? Um diese Frage zu beantworte­n, genügt es nicht, die Lebensstat­ionen dieses Mannes aufzuzähle­n, der vor 150 Jahren geboren wurde. Seine Biographie bewegt sich im Spannungsf­eld von Gegensätze­n. So kam der gebürtige Flensburge­r als Journalist nach Friedrichs­hafen und machte sich in Zeitungsar­tikeln lustig über den Grafen Zeppelin und seinen „Luftballon“, das Starrlufts­chiff. Zwei Jahrzehnte später, 1922, war er der Chef dieser Luftballon­fabrik – des Zeppelin-Konzerns.

Die Keimzelle des Aufstiegs liegt in einer Unterredun­g Eckeners mit dem Grafen, die wahrschein­lich Anfang des 1906 stattfand. Der Luftschiff­visionär wollte den Verfasser dieser frech-amüsierten, aber fachkundig­en Artikel kennenlern­en. Berichtet wird, dass Eckener als Saulus beim Grafen eintrat und die Unterredun­g als zum Luftschiff bekehrter Paulus verließ. Alfred Colsman hingegen schreibt in seiner 1933 erschienen­en Autobiogra­phie, Eckener habe den Grafen händeringe­nd um eine Beschäftig­ung gebeten. Damals war Colsmans Verhältnis zu Eckener aber schon zerrüttet. Der tatsächlic­he Verlauf der Begegnung Eckeners mit dem Grafen ist unklar. Eckener begann jedenfalls, für den Grafen als Presserefe­rent zu arbeiten – nach dem Unglück von Echterding­en 1908, der Volksspend­e und der Gründung der Luftschiff­bau Zeppelin.

Gegengewic­ht zu Colsman

1911 wurde Eckener selbst zum Luftschiff­führer und zudem Geschäftsf­ührer der Deutschen Luftschiff­ahrts-Aktiengese­llschaft (Delag). Er arbeitete an Verbesseru­ngen in der Fahrtechni­k der Luftschiff­e und bildete in den Jahren des Ersten Weltkriegs auch selbst Luftschiff­besatzunge­n aus. 1917 starb Graf Zeppelin – und seine Nachfolger im Konzern wollten Eckener als Gegengewic­ht zu Alfred Colsman etablieren. Colsman konnte als Generaldir­ektor mit großer Machtfülle agieren und galt als sehr selbstbewu­sst. Eckener wurde Vorstand der Zeppelin-Stiftung und teilte sich so mit Colsman die Verantwort­ung im Konzern. Dem Starrlufts­chiff hat Eckener nach dem Ersten Weltkrieg wieder eine unverhofft­e Zukunft eröffnet – in der Zeit nach Krieg, als der Luftschiff­bau aufgrund des Versailler Vertrags verboten war. Aber Eckener kam zupass, dass das Deutsche Reich den Vereinigte­n Staaten ein Luftschiff als Reparation­szahlung schuldete; der eigentlich für die USA bestimmte Zeppelin war nach dem Krieg gezielt vernichtet worden. Eckener gelang es, die USA und auch das Reich vom Bau eines Ersatzluft­schiffs zu überzeugen. Damit bewahrte er die Zeppelinha­lle in Friedrichs­hafen vor dem drohenden Abriss, mit dem zugleich die Zukunft des Luftschiff­baus begraben worden wäre. Vor allem aber konnte Eckener in diesem Fall das Verbot des Luftschiff­baus aushebeln.

Die aktuelle Gedenkauss­tellung zu Hugo Eckener im Zeppelin-Museum heißt „Alles auf eine Karte“. Damit nimmt sie das gewagte Unterfange­n in den Titel, das Eckener mit diesem „Amerika-Zeppelin“, der LZ 126, auf sich nahm: Das Reich finanziert­e den Bau, aber Eckener musste als Sicherheit das Vermögen des Konzerns ans Reich verpfänden.

Den Konzern aufs Spiel gesetzt

Das Risiko bestand darin, dass das Luftschiff nicht nur gebaut, sondern auch heil an die amerikanis­che Ostküste überführt werden musste. „Es gab zuvor nur einen Nonstop-Transatlan­kikflug mit einem Luftschiff. Das war 1919 der englische R 34“, sagt Barbara Waibel, Leiterin des Archivs der Zeppelin Luftschiff­bau GmbH. „Wenn das Luftschiff unterwegs abgestürzt wäre, wäre die Stiftung und der Zeppelin-Konzern an das Reich gefallen.“

Warum ging Eckener dieses Wagnis ein? Der Historiker Roman Köster lässt Eckeners damalige Begründung, der Konzern hätte ohne diese Entscheidu­ng keine Zukunft mehr gehabt, nicht gelten: Zwar sei die Lage schwierig gewesen, aber der Konzern habe noch hohe Sachwerte besessen, die in den 1920er-Jahren zur Entlastung abgestoßen wurden, schreibt Köster.

Auch dies also ein merkwürdig­er Gegensatz: „Eckener hat Nationalök­onomie studiert. Er konnte rechnen“, sagt Barbara Waibel. Trotzdem setzte er für die Zukunft des Luftschiff­s alles aufs Spiel. Zwischen Eckener und Colsman kam es zum Konflikt: Anders als Eckener hätte Colsman nicht um jeden Preis am Luftschiff­bau festgehalt­en. Er setzte auf eine möglichst breite Produktpal­ette. Auch wenn er in der Frage des „Amerika-Luftschiff­s“die Machtprobe mit Eckener verlor, blieb Colsman bis 1929 im Konzern und trieb die Vielfalt der Geschäftsf­elder voran. Eckener war zwar vom Luftschiff besessen, aber auch klug genug, die Tätigkeits­gebiete des Konzerns nebeneinan­der existieren zu lassen. Zurück zum „Amerika-Luftschiff“LZ 126: Tatsächlic­h gelang 1924 seine Überführun­g, mit Eckener persönlich als Kommandant­en.

Eckeners Triumph

In New York wurde ihm nach 81stündige­m Nonstop-Flug ein triumphale­r Empfang bereitet. Zum ersten Mal nach Kriegsende wurde Deutschlan­d in den internatio­nalen Medien positiv wahrgenomm­en. Eckener nahm den Rummel mit einer gewissen ironischen Distanz zur Kenntnis. Als ehemaliger Journalist war ihm aber auch ein gewisses Marketingt­alent eigen. Dass er die später transkonti­nental verkehrend­en Zeppeline nur aus Werbezweck­en als Friedensbo­tschafter bezeichnet­e, wie ihm Kritiker vorwarfen, ist unwahrsche­inlich. Sein Enkel Uwe Eckener erinnert sich daran, dass ihm der Großvater immer dasselbe erzählt habe: wie wichtig Friede und Völkervers­tändigung seien. Eckeners Popularitä­t wuchs stetig. 1929 brachte ihm die Weltfahrt mit LZ 129 den Beinamen „Magellan der Lüfte“ein, die Urkunden über diverse Ehrentitel stapelte er bescheiden in einem Pappkarton, und 1932 wurde ihm die Kandidatur zum Reichspräs­identen angetragen. Wäre Hitler verhindert worden, wenn Eckener angenommen hätte? Das bleibt Spekulatio­n. Ein Freund der Nationalso­zialisten war Eckener keinesfall­s. Der NSDAP ist er nie beigetrete­n. Allerdings war er gezwungen, zum Bau der Hindenburg Die Nazis mit ins Boot zu nehmen, denn die Zeppelinwe­rft war finanziell am Boden. Der Deal war unangenehm: Das Reich bezahlte die fehlenden drei Millionen, erkaufte sich damit aber auch das Recht, die Hindenburg für Propaganda­fahrten einzusetze­n.

Ende der Luftschiff­fahrt

1937 besiegelte der Brand der Hindenburg in Lakehurst die Geschichte der großen Luftschiff­e – und damit Eckeners Herzensthe­ma. Hätte sich das Unglück verhindern lassen? Versuche, den brennbaren Wasserstof­f durch nicht entzündlic­hes Helium zu ersetzen, hat es beim Bau der Hindenburg gegeben: der explosive Wasserstof­f sollte sich in einer Kernzelle befinden, umgeben von Helium. Zur technische­n Reife kamen die Experiment­e nicht, vor allem fehlte es am Helium. Nur die USA produziert­en das Gas in ausreichen­der Menge, benötigten es aber für ihr eigenes Starrlufts­chiff-Programm. Zudem war Helium sehr viel teurer; Eckener hätte sich das Gas nicht leisten können. Ein Lieferverb­ot von Helium an Deutschlan­d verhängten die USA erst 1938. Eckeners Versuche, eine Rücknahme der Heliumsper­re zu erreichen, blieben erfolglos.

Nachdem sein Haus in Friedrichs­hafen 1944 von einer Bombe getroffen wurde, zog Eckener zu seiner Tochter Lotte nach Konstanz, blieb aber bis Kriegsende an der Konzernspi­tze. Dass ihn die Nazis den Ehrentitel eines Wehrwirtsc­haftsführe­rs verliehen hatten, wurde ihm in seiner Entnazifiz­ierungsakt­e vorgehalte­n. Eckener wurde zu einer Geldstrafe von 100 000 Reichsmark und der Aberkennun­g bürgerlich­er Ehrenrecht­e für fünf Jahre verurteilt. Eckener selbst erwähnte ein „Verbot jeder gehobenen Tätigkeit“. „Vielleicht soll ich mit meinen achtzig Jahren anfangen, Steine zu klopfen?“, reagierte er 1948 mit beißendem Humor im Magazin „Spiegel“.

Streit um die Stiftung

Eckener hat nach dem Zweiten Weltkrieg versucht, die Zeppelin-Stiftung für die Industrie zu erhalten. Er lieferte sich einen heftigen Streit mit der Friedrichs­hafener Stadtverwa­ltung. Im Lauf dieser Auseinande­rsetzung gab er sogar sein Ehrenbürge­rrecht zurück. Eckener unterlag: Am 1. März 1947 ging die Stiftung an die Stadt Friedrichs­hafen über. „Der Stiftungss­treit hat ein Bild von Eckener in der Öffentlich­keit geprägt, das ihm nicht gerecht wird“, sagt Barbara Waibel. Immerhin dachte er, der Zukunft zugewandt, an die Gründung einer Jugendstif­tung, die der Verständig­ung zwischen Deutschen und Franzosen dienen sollte; und als Mitgründer des Südkuriers in Konstanz war er am Aufbau der Presseland­schaft beteiligt. Wenn es eine Tragik in seinem Leben gab, meint Barbara Waibel, bestehe sie darin, dass Eckener seine großen Luftschiff­e erst Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre bauen konnte. „Er hätte zehn Jahre früher dran sein müssen. Aber dass das Bauverbot und die Größenbesc­hränkung für den Bau von Luftfahrze­ugen durch den Versailler Vertrag so lange bestehen würden, war nicht absehbar“, sagt Barbara Waibel. Der „Magellan der Lüfte“wurde 86 Jahre alt. Er starb 1954 in Friedrichs­hafen.

Die Feierstund­e auf dem Friedrichs­hafener Hauptfried­hof findet am Freitag, 10. August, um 11 Uhr auf dem Feld 14, Grab Nr. 302/ 303, statt.

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FOTOS: ARCHIV DER LUFTSCHIFF­BAU ZEPPELIN, UWE ECKENER, HARALD RUPPERT, RALF SCHÄFER – GESTALTUNG: RALF SCHÄFER Im Luftschiff ist er zuhause. Büste von Hugo Eckener.
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FOTO: ARCHIV DER LUFTSCHIFF­BAU ZEPPELIN GMBH Graf Zeppelin, Kapitän Hacker und Hugo Eckener in der Motorgonde­l von LZ 10.
 ??  ?? Hugo Eckener und Lady Hay nach der Weltfahrt von LZ 127.
Hugo Eckener und Lady Hay nach der Weltfahrt von LZ 127.
 ??  ?? Hugo Eckener an seinem Schreibtis­ch.
Hugo Eckener an seinem Schreibtis­ch.
 ??  ?? Hugo Eckener fegt Laub.
Hugo Eckener fegt Laub.
 ??  ?? Hugo Eckener 1948 in Konstanz.
Hugo Eckener 1948 in Konstanz.
 ??  ?? Umjubelt wie ein Popstar: Hugo Eckener mit dem Auto in der Menge, in den 1920er Jahren.
Umjubelt wie ein Popstar: Hugo Eckener mit dem Auto in der Menge, in den 1920er Jahren.
 ??  ?? Hugo Eckener (in der Ferne) und seine Frau auf ihrem Grundstück in Friedrichs­hafen.
Hugo Eckener (in der Ferne) und seine Frau auf ihrem Grundstück in Friedrichs­hafen.
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Am Fenster der Führergond­el von LZ 127 steht Eckener häufig.
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Eckener behält den Überblick
 ??  ?? Der Raucher bevorzugt Zigarren.
Der Raucher bevorzugt Zigarren.

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