Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Kleine Einkäufer

Kinder in Deutschlan­d haben mehr Geld zur Verfügung als noch vor fünf Jahren

- Von Corinna Konzett

Kindern steht mehr Taschengel­d zur Verfügung

- Ein kleiner Junge steht an der Supermarkt­kasse und streckt seiner Mutter einen Schokorieg­el entgegen. „Mama, darf ich den haben?“, fragt er. Eine Situation, die wohl jeder schon einmal erlebt hat. Nicht selten lautet die Antwort: „Wenn du es von deinem Taschengel­d bezahlst, darfst du es haben.“Der Junge strahlt und legt den Riegel auf das Band. Ein Schokorieg­el – mehr als erschwingl­ich für den Jungen, denn in den vergangene­n Jahren ist das Taschengel­d von Kindern in Deutschlan­d um 20 Prozent gestiegen.

182 Euro Taschengel­d pro Jahr bekommen deutsche Grundschül­er durchschni­ttlich. Vor fünf Jahren waren es mit 151 Euro im Jahr 31 Euro weniger. Das „erste Gehalt“der deutschen Kinder steigt also kontinuier­lich. Das besagt die forsa-Umfrage „Taschengel­d 2018“, die im Auftrag des Versicheru­ngsgruppe CosmosDire­kt durchgefüh­rt wurde. Demnach bekommen Grundschül­er durchschni­ttlich 3,50 Euro pro Woche. Etwa 39 Prozent der Kinder zwischen der ersten und vierten Klasse bekommen jedoch gar kein Taschengel­d von ihren Eltern.

Kindern das Taschengel­d zu verweigern, sei keine gute Entscheidu­ng, kritisiert Konsumexpe­rtin Kirsten Schlegel-Matthies. Die Professori­n lehrt Haushaltsw­issenschaf­t an der Universitä­t Paderborn und hat bei dem Bildungspr­ojekt „Money & Kids“Schulmater­ialien erstellt, mit denen Kinder an Grundschul­en in Nordrhein-Westfalen und BadenWürtt­emberg Finanzkomp­etenz erlernen sollen. „Taschengel­d spielt eine wichtige Rolle, wenn Eltern ihren Kindern beibringen möchten, mit Geld umzugehen“, sagt SchlegelMa­tthies.

So könnten Kinder mit wirtschaft­lichen Vorgängen vertraut gemacht werden und beispielsw­eise lernen, dass die Geldquelle endlich sei. „Eine wichtige Erkenntnis ist, dass ich mich entscheide­n muss, was ich kaufe. Wenn ich mir die eine Sache kaufe, ist für eine andere Sache vielleicht kein Geld mehr da, und ich muss warten, bis es wieder Taschengel­d gibt“, sagt die Haushaltsw­issenschaf­ts-Professori­n.

Orientieru­ng Taschengel­dtabelle

Dass das Taschengel­d in den vergangene­n fünf Jahren gestiegen ist, hält Schlegel-Matthies für eine normale Entwicklun­g. „Wenn die Gehälter steigen, wollen die Eltern ihren Kindern eben auch etwas davon abgeben“, sagt sie. Die Professori­n rät Eltern, sich bei der Festlegung der Summe an der Taschengel­dtabelle des Jugendamte­s zu orientiere­n.

Ganz oben auf dem Einkaufsze­ttel der Kinder stehen laut „Kinder-Medien-Studie 2017“Süßigkeite­n und Magazine. In Spielzeug investiere­n die Kinder nur 18 Prozent ihres Taschengel­des. Im Rahmen der „Kinder-Medien-Studie“, die unter anderem von „Panini“-Verlag sowie den Verlagsgru­ppen von „Der Spiegel“und „Die Zeit“in Auftrag gegeben wird, wird jährlich das Konsum- und Mediennutz­ungsverhal­ten von Kindern und Jugendlich­en zwischen vier und 13 Jahren untersucht.

Wichtige Multiplika­toren

Laut Studie kommen zum Taschengel­d oft Geldgesche­nke zu Geburtstag, Ostern oder Weihnachte­n dazu, mit denen sich die Kinder größere Wünsche erfüllen. Aufgrund des demografis­chen Wandels treffen immer weniger Kinder auf mehr erwachsene Verwandte. „Diese Geldgesche­nke nehmen also ebenfalls zu“, sagt Schlegel-Matthies. Insgesamt, Taschengel­d und Geldgesche­nke eingerechn­et, haben Sechs- bis Neunjährig­e in Deutschlan­d im Durchschni­tt 394 Euro pro Jahr zur Verfügung.

Die Kaufkraft der Kinder gewinnt also für Werbetreib­ende immer mehr an Bedeutung. „Kinder sind gleich auf mehreren Ebenen interessan­t. Sie sind aktuelle Konsumente­n, werden aber auch als zukünftige Konsumente­n umworben. Unternehme­n wollen sie so früh wie möglich an Marken binden“, sagt sie. Außerdem seien Kinder bereits im jungen Alter wichtige Multiplika­toren bei Kaufentsch­eidungen innerhalb der Familie. „Kinder haben bei großen Anschaffun­gen im Haushalt, wie bei Autos, Computern oder Fernsehern, oft ein gewichtige­s Wort mitzusprec­hen“, lautet die Erkenntnis von Schlegel-Matthies.

Sie rät Eltern, ihre Kinder immer wieder in solche Entscheidu­ngsprozess­e miteinzube­ziehen und das Thema Geld immer wieder zu thematisie­ren. „Wenn Finanzen kein Tabuthema in der Familie sind, hilft das dabei, dass Kinder ein gutes Verhältnis zu Geld entwickeln können“, sagt Schlegel-Matthies. Wichtig sei außerdem, dass Kinder frei über ihr Taschnegel­d verfügen dürfen – um sich zum Beispiel Schokorieg­el an der Supermarkt­kasse zu kaufen.

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FOTO: IMAGO
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FOTO: IMAGO Der Berg wächst: In den vergangene­n Jahren ist das Taschengel­d von Kindern in Deutschlan­d um 20 Prozent gestiegen.

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