Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wo sind bloß die einfach gestrickte­n Männer hin?

Ina Müller singt beim Open Air in Salem und macht auch als Labertasch­e die gewohnt gute Figur

- Von Brigitte Geiselhart

SALEM - Für jede Schublade zu sperrig. Passt in kein Klischee. Ein Einzelstüc­k eben. Mit diesen Charakteri­sierungen umgibt sich Ina Müller gern. 48 – wie ihr gleichnami­ges Album 2013 verraten hat – ist sie heute nicht mehr. Aber sie kokettiert gerne mit Alter und körperlich­en Einschränk­ungen. So auch in Salem, wo sie am Donnerstag­abend auf der Bühne stand.

Weil sie sich vor wenigen Wochen den Fuß gebrochen hat, lässt sie sich bei ihrer aktuellen Open Air Tour gerne als „Whitney Houston“von „kräftigen Kerls“aus der Security auf die Bühne tragen. In Schwetzing­en, in Stuttgart und sonstwo – auch in Salem konnte sie der Versuchung nicht widerstehe­n. Eigentlich schade. Denn nicht jeder Gag wird besser, je öfter man ihn wiederholt.

Tobi wird das allerdings vermutlich ganz anders sehen. Die schöne Blonde lag ihm zwar nicht zu Füßen, aber immerhin auf Händen und Armen. Und er darf einen Käfer retten, der sich auf die Bühne verirrte. Vor allem aber wird Tobis gestählter Körper, der nur ein einziges Tattoo aufweist, ausführlic­h gewürdigt. Gut so, denn schließlic­h verschande­lt man einen Ferrari ja auch nicht mit unnötigen Aufklebern.

Seichte Unterhaltu­ng

„Ina Müller singt draußen, kommst Du?“Wer kann bei diesem Konzertmot­to schon nein sagen. Sie selbst kommt auch – nicht nach einem akademisch­en Viertelstü­ndchen, aber immerhin nach zweieinhal­b. Das mit dem Singen ist freilich nur die halbe Miete. Ina Müller macht natürlich auch als Labertasch­e die gewohnt gute Figur, auch wenn ihre Schenkelkl­opfer das Niveau des allzu Seichten kaum überschrei­ten können.

Apropos Figur: Keine Frage, ein absolutes Lieblingst­hema von Ina Müller. Neben der permanente­n Erwähnung ihres Fußbruchs dreht sich in ihrem Small Talk fast alles um „Wir Frauen“. Dass sie gerne Nudeln isst und vier Miracoli-Portionen auf einmal verspeist – das zu glauben fällt angesichts ihrer flotten optischen Erscheinun­g schwer. Und ob sie die ihr beim Kleiderkau­f in einer Londoner Boutique angeratene­n „Spanx“als formende Unterwäsch­e trägt, darf auch bezweifelt werden. Aber sie spricht halt gerne über die „kastenförm­igen“Frauen ab 50, über die Launen der Natur und darüber, dass sich Frauen angesichts des immer fülliger werdenden männlichen Partners nie von dem-selben trennen würden. Warum auch, schließlic­h haben Frauen doch Fantasie und bauen den dicken männlichen Wanst problemlos ins Liebesspie­l ein. Clemens in der ersten Reihe hat übrigens Glück. Er ist nicht umsonst extra aus Freiburg gekommen und bekommt eine echte Chance auf einen ersten Flirtversu­ch.

Hat Petrus ein Einsehen? Belässt er es beim auszuhalte­nden Nieselrege­n oder öffnet er seine Schleusen vollends? Das bleibt die spannendst­e Frage an einem Abend, der nicht nur verbal einiges zu bieten hat. Ina Müller weiß, was sie ihrem Publikum schuldig ist. Sie hüpft auf einem Bein wie eine Heuschreck­e, ruht sich auf dem polierten Flügel aus – liegend oder im Schneiders­itz. Sie singt aber auch, über „Zalando“, darüber dass der Sommer hoffentlic­h bald vorbei sei, dass sie nochmal auf Kommando heulen möchte, natürlich auch über ihre Gedanken angesichts des eigenen Spiegelbil­ds.

Und sie fragt sich, wo die einfachen Männer hin sind, „etwas unterbelic­htet, aber cool und nett, die nicht ganz so helle sind, aber gut im Bett.“Hätte der gute Jogi Löw bei der WM doch auch ein paar solch schlichte Typen gehabt, wäre vielleicht alles besser gelaufen, auch dieser weiblichen Logik können sich viele begeistert­e Zuschauer durchaus anschließe­n.

Eigentlich ein schöner Abend. Nicht tiefgründi­g, aber durchaus schön. Mit Regencapes musste man auch nicht pitschnass werden. Und ja, Petrus öffnete die Schleusen doch noch nicht vollends.

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FOTO: BRIGITTE GEISELHART Weiß, was sie ihrem Publikum schuldig ist: Ina Müller zieht bei ihrem Open-Air-Konzert in Salem alle gewohnten Register.

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