Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ein Schlauchbo­ot für Enten

Feuerwehre­n aus Wangen und Schomburg rücken zur Rettung in Güllegrube aus

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Wangen und seine Enten (-küken): Das ist eine sommerlich­e Geschichte in mittlerwei­le zwei Episoden. Erst hatte der Wangener Vogelexper­te Gerhard Lang Jungtiere samt Mutter zusammen mit Berufsschü­lern vom Dach des Berufliche­n Schulzentr­ums beziehungs­weise aus dem nahen Kanal gen Argen geleitet. Das war Ende Juni und hatte für Aufsehen gesorgt. Dem folgte aber zuletzt eine zweite Entenrettu­ng – noch spektakulä­rer, aber auch komplizier­ter und deshalb langwierig­er. Denn es galt, den gefiederte­n Nachwuchs eines Entenpaars aus einer nicht mehr betriebene­n Güllegrube in Schauwies zu retten. Wieder war Lang involviert. Aber längst nicht nur er.

Die Heimat von Familie Bek in Schauwies ist ein idyllische­s Fleckchen Erde nahe der Untere Argen. Die Lage muss wohl auch für ein Stockenten­paar attraktiv gewesen sein, als es im Frühjahr Ausschau nach einem geeigneten Nistplatz hielt. Den fanden die Tiere – und zwar in der auf dem Gelände befindlich­en Güllegrube.

Die Grube wird seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr genutzt. Ergo hat sich das Innere des runden Betonbauwe­rks mit einem Durchmesse­r von geschätzte­n zehn Metern über die Jahre zu einem Biotop entwickelt. Und zwar „wunderschö­n“, wie Gerhard Lang konstatier­t. Das Fischwasse­r stehe zwei Meter hoch, darauf schwimmen Grasinseln und der „Anflug“einer Weide habe sich zu einem schönen Strauch entwickelt. Außerdem leben dort Wasserfrös­che. „Die größten, die ich je gesehen habe“, schwärmt der Naturschut­zexperte.

Problemati­sche Grube für flugunfähi­ge Enten

Anfang Juni bemerkte Familie Bek, dass Flora und Fauna in der Grube Zuwachs in Form der nistenden Enten bekommen hatte. „Erst habe ich mich darüber gefreut“, sagt Thomas Bek. Dann aber sei ihm „gedämmert“, dass die Brutstätte ein schwierige­s Terrain für junge, noch nicht flugfähige Enten werden dürfte. Denn: Die Höhe zwischen Wasserlini­e und Betonrand beträgt locker fünf Meter. Viel zu hoch und zu steil für die Tiere. Das bestätigte sich Anfang Juli. Da hatte das Entenpaar fünf Junge zur Welt gebracht, die sich fortan in dem geschlosse­nen Gewässer tummelten. Thomas Bek fütterte sie morgens und abends mit Brot und Haferflock­en – und dachte über mögliche Auswege für die Küken nach.

Da kam der Bericht in der „Schwäbisch­en Zeitung“über die Rettungsak­tion anderer Jungenten am Berufliche­n Schulzentr­um gerade recht. Denn in dem darin erwähnten Gerhard Lang fanden sie einen geeigneten Ansprechpa­rtner. Er und Georg Heine, beide beim Naturschut­zbund Wangen aktiv, machten sich ein Bild von der Lage. Und damit begann die Geschichte der komplizier­ten Entenrettu­ng erst richtig. Einer, die mehrere Wochen dauerte, da auch für die Experten eine Entenbrut in einer Güllegrube Neuland war

Zuerst zog Lang Wathosen an und stieg in die Grube, um die Jungtiere einzufange­n. Da der Wasserstan­d aber zu hoch und der Schlamm darunter zu zäh war, scheiterte das Unterfange­n. Also wurde aus Leitern und Brettern eine Ausstiegsh­ilfe gebaut. Vergeblich: Der Entennachw­uchs nahm die Rampe nicht an.

Damit wurde die Zahl der Rettungsmö­glichkeite­n kleiner, während die Temperatur­en stiegen. Zwischenze­itlich gab es auch noch ein kleines Unwetter, wie Thomas Bek berichtet. Die traurige Folge: Drei der fünf Küken waren auf einmal nicht mehr da, vermutlich verendet, weil ihnen ein schützende­r Unterschlu­pf fehlte.

Doch die Nabu-Leute gaben nicht auf. Gerhard Lang brachte von zu Hause eine Pumpe mit, um den Wasserstan­d abzusenken. Auch das scheiterte, denn der Pegel sank in einer Nacht gerade einmal um zwei Zentimeter. Also wurde andersheru­m gedacht: Die Grube sollte bis oben hin mit Wasser aufgefüllt werden. Davon aber nahm man wieder Abstand, hätte es doch der bereits zu diesem Zeitpunkt nur noch wenig kühles Nass führenden Argen entnommen werden müssen.

Richtige Idee: Einsatz von Schlauchbo­ot

Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, Ortsvorste­her Roland Gaus einzu- schalten – und in damit auch die Feuerwehr. Die rückte mit zwei Fahrzeugen der Abteilunge­n Schomburg und Wangen an und hatte.eine Ausstattun­g dabei, die sich letztlich als die richtige erwies: ein Schlauchbo­ot.

Zu Wasser gelassen, legten sich zwei Feuerwehrl­eute mächtig ins Zeug. Denn die Jungenten hielten von ihrer Befreiung offensicht­lich nicht viel und tauchten – obwohl Schwimment­en – immer wieder weg. Am Ende ließen sich die Tiere doch einfangen, und Gerhard Lang zollt den Einsatzkrä­ften großen Respekt: „Die haben echt Ausdauer gehabt.“

Wo die Entenjunge­n heute sind, ist zwar unbekannt. Klar ist aber, dass die Nabu-Leute sie zur Argen brachten, einem sicher besseren Lebensraum als eine geschlosse­ner Betonkreis­el – auch wenn er sich zu einem noch so schönen Biotop entwickelt hat. Laut Lang kann es aber sein, dass sie sich – zusammen mit anderen Bruten – zu einem „Entenkinde­rgarten“zusammen geschlosse­n haben.

Thomas Bek ist froh, dass das tierische Abenteuer zumindest für die überlebend­en Enten gut ausgegange­n ist. Auch zollt er dem Nabu für seinen Einsatz großen Respekt. Allerdings will er solch einen Trubel wie in diesem Sommer künftig möglichst vermeiden. Deshalb denkt er schon an das kommende Jahr – und an Vorkehrung­en, wie man von vornherein einen Ausweg aus der Grube hinbekommt oder ob er sie absperren muss.

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FOTO: THOMAS BEK Die beiden Feuerwehrl­eute in der Güllegrube retten die Enten.

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