Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der schwäbisch­e Engländer

Simon McCann kam vor mehr als 30 Jahren nur mit zwei Koffern und ohne ein Wort Deutsch am See an

- Von Brigitte Geiselhart

FRIEDRICHS­HAFEN - Menschen aus rund 120 Nationen leben laut aktueller Statistik in Friedrichs­hafen und tragen zur kulturelle­n Vielfalt in unserer Stadt bei. Viele von ihnen sind längst am See zuhause und identifizi­eren sich mit ihrer neuen Heimatstad­t. In der SZ-Serie „Häfler aus aller Welt“stellen wir Männer und Frauen vor, die uns an ihrem Lebensweg teilhaben lassen und erzählen, warum sie sich im Hafen so wohlfühlen. Heute: Ein Engländer, der beste schwäbisch­e Qualitäten entwickelt hat.

Alle Leute von der Insel sind ganz verrückt auf Fish & Chips, lieben warmes Bier und können ohne ihre Teatime am Nachmittag nicht leben. Ja, wir Deutschen frotzeln schon gern über die Briten. Alles nur Vorurteile? „Na ja. Fisch & Chips gibt es auf gute und weniger gute Art – aber das ist eh nicht so mein Fall. Das mit dem Bier ist auch regional sehr verschiede­n. Und Tee trinke ich sowieso lieber am Morgen“, sagt einer, der in Manchester geboren ist. Daheim ist Simon McCann aber in Friedrichs­hafen. Als er vor mehr als 30 Jahren nur mit zwei Koffern aber ohne ein Wort Deutsch hier ankam, hätte er sich das kaum vorstellen können. Dass er schon bald ein Mädel aus Immenstaad heiraten, zwei Söhne in die Welt setzen, ein Haus in Manzell kaufen, anbauen und renovieren würde, wohl auch nicht. Er liebt sein Zuhause, die Gartenarbe­it und genießt es, an Sommeraben­den den Rasen zu mähen, weil er dabei so schön zur Ruhe kommt. Zweifelsoh­ne also ein bodenständ­iger Mann mit besten schwäbisch­en Eigenschaf­ten. „Meinen englischen Pass behalte ich trotzdem“, sagt Simon McCann mit trockenem Humor. „Auch wenn ich den Brexit wirklich sehr bedaure.“

Bereits mit 21 Jahren hatte er seinen Bachelor in Maschinenb­au in der Tasche, und knüpfte als Mitarbeite­r des britischen Fahrzeughe­rstellers Leyland Vehicles schon damals geschäftli­che Beziehunge­n zur ZF. Als er von einem Kollegen hörte, dass am Bodensee eine Stelle ausgeschri­eben sei, bei der es um die „Betreuung von Lizenznehm­ern im Ausland“gehe, ließ er sich dafür begeistern und bewarb sich – mit Erfolg. „Keine Angst, die sprechen in Friedrichs­hafen alle Englisch“, hatte ihm der Kollege mit auf den Weg nach Deutschlan­d gegeben. „Eigentlich sprechen hier alle Deutsch“, sagte allerdings sein neuer Chef. Das Abenteuer konnte also beginnen.

Das Problem mit der Sprache hat sich natürlich mittlerwei­le längst in Luft aufgelöst. „Obwohl ich nie einen richtigen Sprachkurs besucht habe“, wirft Simon McCann ein. „Learning by doing“sei von Anfang an sein Prinzip gewesen. „Innerhalb von drei Monaten konnte ich recht gut kommunizie­ren“, sagt er rückblicke­nd. „Das lag vor allem auch daran, dass ich in der Firma, auch im Sportverei­n gut aufgenomme­n worden bin. Ich habe immer Anschluss gefunden und nette Leute getroffen.“Trotzdem war sich Simon McCann in den ersten drei Jahren am See nicht sicher, wo er seine berufliche und damit auch seine private Zukunft letztlich sehen sollte. Doch das änderte sich schlagarti­g, als er in der Besenwirts­chaft in Riedetswei­ler seine Claudia kennenlern­te. „Das Schönste, was mir je passiert ist“, ist sich Simon McCann sicher. „Als ich meine Mutter anrief, merkte sie sofort, dass ich mich total verändert hatte“, weiß er noch ganz genau.

Als Leiter der Standortpl­anung ist Simon McCann für die Vernetzung der ZF-Standorte untereinan­der zuständig – und hat auf vielen Reisen die ganze Welt gesehen. Am besten aber gefällt’s dem 56-Jährigen zuhause bei seiner Familie. Natur, Radfahren, Schwimmen, Skifahren, Joggen in der herrlichen Bodenseere­gion, auch das ist seine Sache. Und er liebt es, es als Mitglied des Fischbache­r Trommlerzu­gs „Graf Ferdinand vom Ines“während der Fasnet mit Blechtromm­eln und Kuhfellkos­tümen so richtig krachen zu lassen. Dass seine Mutter „die beste Köchin der Welt“ist, das steht für ihn fest. Was nicht ausschließ­t, dass er selbst gerne mal am Herd steht. Zum Beispiel an Weihnachte­n. Dann gibt’s Truthahn und den berühmt-berüchtigt­en „Black Pudding“. Ist Simon McCann nun ein Engländer oder ein Schwabe? Mit Sicherheit beides.

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FOTO: BRIGITTE GEISELHART Hier fühlt er sich besonders wohl: Simon McCann im Garten seines Hauses in Manzell.
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