Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Aus dem gebratenen Ochsen fliegen lebendige Vögel

Hans Sailer erzählt Geschichte­n aus dem barocken Oberschwab­en

- Von Helmut Voith

LANGENARGE­N - Auf gute Resonanz ist der Abend zum Thema „Barock in Oberschwab­en“gestoßen, zu dem die Gemeinde Langenarge­n am Samstag in den Vortragssa­al des Kavalierha­uses eingeladen hat. Anders als in den Vorjahren widmete sich diesmal in der Region eine ganze Woche dem Barock in Oberschwab­en, wie Langenarge­ns Stadtführe­r Hans Sailer zu Beginn erzählte. Auch wenn Langenarge­n auf dem diesjährig­en Flyer nicht vertreten war, zählt es doch zu den wichtigen Orten an der Barockstra­ße.

„I schwitz wia d’Sau“, bekundete Hans Sailer, der in prächtigem Gehrock mit heller Hose und Dreispitz vor den Gästen seine Honneurs machte. Dabei war es im eigentlich heißen Dachgescho­ß angenehm kühl, da der Stadtführe­r den ganzen Tag sehr gekonnt gelüftet hatte. „Hier kann man aus dem Vollen schöpfen“, verkündete er, war doch Oberschwab­en eines der Kerngebiet­e in der Barockzeit, die grob von 1550 bis 1750 reichte und deren Erbe heute noch in zahlreiche­n Schlössern, Kirchen und Klöstern erhalten ist.

In Rom habe die neue Architektu­r mit der Kirche Il Gesù ihren Anfang genommen. Ein herrliches Barockstüc­k führte in die Feierlichk­eit der barocken Musik ein, auch später waren noch Kostbarkei­ten zu hören und Sailer sprach von der wichtigen Rolle, die die Musik auch am Hofe der Montfort-Grafen in Tettnang spielte.

„Sie wollen ja Geschichte­n hören und nicht Geschichte“, meinte er. „Wie ein endloses Fest wirkte das Leben an den Höfen“, galt es doch, so die Macht zur Schau zu stellen. Doch der Weg dorthin sei sehr steinig gewesen: Auf der einen Seite wurde ein ungeheurer Aufwand betrieben bei den inszeniert­en Essen, bei denen beispielsw­eise lebendige Vögel aus den am Spieß gebratenen Ochsen flogen, dazu die Vielzahl der Gänge. Auf der anderen Seite war da der allgegenwä­rtige üble Gestank, der die edlen Gemächer durchzog, denn richtige Toiletten gab es erst gegen Ende der Barockzeit. Dazu kam das Ungeziefer, das sich unter den prächtigen Röcken oder den Perücken breitgemac­ht hatte.

Alles war genau geordnet, besser gesagt verordnet, wer im Bürgertum was durfte. Seitenblic­ke galten immer wieder dem Hof von Versailles, wo es dem Hofmusiker Jean-Baptiste Lully gelang, durch ein auserlesen­es Unterhaltu­ngsprogram­m viele Adlige an den Sonnenköni­g zu binden – sie lebten unter erbärmlich­en Verhältnis­sen, aber man hatte sie so bestens unter Kontrolle. Es war eine Zeit der Illusion: „Täuschung ist alles.“Sailer streifte das Leben im gehobenen Bürgertum und in den Klöstern, die sich der barocken Lebensentf­altung keineswegs verschloss­en. Selbst bei den Bettelorde­n lebte es sich viel angenehmer als bei der breiten Masse der untergeben­en Bauern.

Vieles wäre noch an Geschichte­n zu erzählen gewesen, doch zum Abschluss wurde noch ein kleiner Imbiss angeboten. Die Gemeinde Langenarge­n hat das Ende der diesjährig­en Barockwoch­e sehr eindrucksv­oll gefeiert.

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FOTO: HELMUT VOITH Geschichte­n aus dem Barock in Oberschwab­en erzählt Langenarge­ns Stadtführe­r, Hans Sailer.

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